Karl-Liebknecht-Siedlung
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Die Karl-Liebknecht-Siedlung in Heessen.

 Von Polizeihauptkommissar a.D. Siegfried Paul

 

 Nach dem Kriegsende 1945, stand Deutschland vor einem Trümmerhaufen. Vor allem fehlte es auch an Wohnraum um die vielen Flüchtlinge aus Ostpreußen, Westpreußen, Pommern und Schlesien aufzunehmen, die nun in Westdeutschland versuchten, zu überleben. Es wurden noch keine Gedanken an eine neue Zukunft vertan, es ging zunächst buchstäblich von einem zum anderen Tag um das nackte Überleben. Da in ganz Deutschland kein Wohnraum zur Verfügung stand,  suchten die Flüchtenden auch Hilfe, Arbeit und Unterkunft in kleineren Orten und auf dem Lande. Große Zentren gab es nicht mehr, Deutschland war ein Trümmermeer. Auch die einheimische Bevölkerung war zum Teil ohne Dach über dem Kopf, oder eng bei Verwandten untergeschlüpft.   Nun wurden vor allem alte Wehrmachtsgebäude in Wohnraum umgewandelt, um den Flüchtlingen überhaupt ein Dach über dem Kopf geben zu können. In Heessen wurde dabei auf die Gebäude der Kaserne, die in der heutigen „Neuen Heimat „stand, und den Schießstand der ehemaligen Wehrmacht und seine Funktionsgebäude zurückgegriffen. Der Schießstand am Leerfeldweg in Heessen hatte in seinem Eingangsbereich  eine Wohnung für den Platzwart und mehrere Lagergebäude für Material. Diese Gebäude wurde bereits Ende 1945 umgewandelt, um kleine Wohneinheit, allerdings nur Notwohneinheiten zu schaffen. Hier wurden die Gebäude einfach von den Wohnungssuchenden besetzt und in Eigenhilfe zu Wohnraum umgebaut, soweit Baumaterial zu beschaffen war. Wie dies geschah, blieb jedem selbst überlassen. Es konnte z.B. auch eine sehr große Hilfe sein, wenn man den Ziegelmeister der Ziegelei Beumer gut kannte.  Nach dem Einzug erst, wurde die Gemeinde unterrichtet, dass wieder eine Familie untergekommen war. Dort war man froh, nicht selbst tätig werden zu müssen und hat sich nur die Quadratmeterzahl des Wohnraumes angeben lassen. Jedem Bewohner standen 8 Quadratmeter zu. Wie hoch die Wohnungsnot war, mag man daran sehen, dass selbst der Fischgroßhändler für gesamt Hamm und Umgebung, Herr Hellweg, der noch Vorräte in den alten Eiskellern der Brauerei Isenbeck hatte, in einem Keller am Stadtbad wohnte.

 

Hinter dem Kugelfang der langen Schießbahnen, waren kleine Unterkünfte für das ehemalige Wehrmachtspersonal und das Wachpersonal des Schießstandes vorhanden.  Diese Wohnungen wurden nun notmäßig hergerichtet und vermietet. Auch dies geschah so, dass Wohnungssuchende die Unterkünfte besetzten und selbst herrichteten. Die Gemeinde akzeptierte diese „Besetzung“ und legalisierte sie dann. 1946 waren in diesem unteren Bereich des Schießstandes drei „Straßen“ vorhanden, an denen sich 12 Notwohnungen befanden. Diese sog. „Straßen“ bestanden aus festgefahrener Erde und waren sehr schmal angelegt. Die Bäume an den Straßen sollten mit ihren überragenden Kronenbereichen die Wege nach oben tarnen. Ein 13tes Haus wurde 1946 errichtet. Dies Haus wurde von Karl Klemme auf einem alten Bunker errichtet. Dazu erhielt er am 16. April 1946 vom Finanzamt Beckum die Erlaubnis „ zum Umbau eines Munitionsbunkers in eine Wohnung“.  Die Genehmigung, der  Bauplan und Bilder des Hauses liegen mir noch vor. Auch die Errichtung dieses Hauses erfolgte erst in Selbsthilfe und wurde dann der Gemeinde gemeldet und nachträglich wurde die Genehmigung durch das Finanzamt erteilt. Die Baupläne wurden ebenfalls erst später, nämlich zum Auszug dort erstellt. Sie wurden für das Entschädigungsverfahren gebraucht. Die Entschädigung wurde für den Verlust des erstellten Gebäudes gezahlt.  Das Finanzamt Beckum war zunächst für die alten Wehrmachtsliegenschaften zuständig und wusste zum Teil nicht einmal, was ihnen da unterstand. Ein Bewohner von damals schilderte es so: „ Es war nur in Wild-West-Manier möglich zu überleben.“  

Da es für die Bewohner des Schießstandes sehr schwer war, Lebensmittel einzukaufen, der nächste Laden befand sich am Anfang des Frielicker Weges, war Karl Klemme so weitsichtig und baute einen kleinen Lebensmittelladen  in  bzw. an das neue Haus an. (siehe Anlage).

Am 6.9.1946 erhielt diese „Not-Wohnanlage“ auf Antrag der KPD im Rat der Gemeinde Heessen, den Namen „Karl-Liebknecht-Siedlung“. Die Wohnungen und Unterkünfte wurden  von der Nummer 1 bis zur Nummer 26 durchnummeriert. Zwischenzeitlich wurde wenigstens eine Wasserleitung gelegt, was mit Hilfe von alten Eisenrohren der Zeche Sachsen geschah. Strom war vorhanden, so waren alle Bunker ans Stromnetz angeschlossen. Aber auch hier kam es natürlich zu Notständen. Die Elektroversorgung war natürlich noch völlig überfordert und so stand jedem Bewohner pro Monat 4 KW Strom zu. Zähler wurden in den Bunkern installiert, die natürlich sofort umgangen wurden und Strom wurde  illegal abgezapft.  

In den Jahren 1949 bis 1952 nahm die Belegung des Schießstandes noch zu. Nachdem 1949 die Bundesrepublik gegründet worden war, zog die „DDR“ nach und gründete ihrerseits eine neue Republik. Damit kam nun die neue „Zonengrenze“ ins Spiel und viele Bewohner der russisch besetzten Zone flüchteten nun weiter in Richtung Westen. Auch diese mussten nun untergebracht werden und in Heessen wurde eine neue, lange  Baracken in der Karl-Liebknecht-Siedlung aufgestellt. Das geschah an der Straße rechts neben den langen Gewehrständen. Dort wurde auf der rechte Seite ein lange Baracke aufgestellt, die von der Bundesregierung bezahlt wurde. Eine leichte Entspannung trat dann erst Mitte der 50er Jahre ein, als die „Neue Heimat“ an der Ahlener Straße eine neue Siedlung baute. Hier wurden allerdings erst die Bewohner der Notunterkünfte aus den alten Pferdeställen der Kaserne untergebracht, an deren Stelle später die neue Schule gebaut wurde. Dazu musste die Kaserne abgerissen werden. Bis 1956 gab es keine Änderung  in der Karl-Liebknecht-Siedlung. Erst am 25.Juli 1956 erhielt dann Karl Klemme von der Bundesvermögensstelle in Hamm, die damals noch in Hamm, in der Adolfstr. 1 ihren Sitz hatte(heute Josef-Wiefels-Str.),  die Kündigung seiner Wohnung. Am 27.9.1957 zog Karl Klemme mit seiner Familie zur Sandstr. 24, wo er ein neues Haus gebaut hatte. Aber auch an seinem neuen Wohnort wurde Karl Klemme immer an den Weltkrieg erinnert. Für den Neubau an der Sandstraße musste zunächst ein Splittergraben entfernt werden, der während des Krieges den Anwohnern der Sandstraße , als Bombenschutz gedient hatte. Trotzdem wurde die Siedlung weiterhin dringend gebraucht und nicht sofort von der Bundeswehr übernommen. Noch am 2.6.1960, zog die mir gut bekannte Familie Lindemann, von der Karl-Liebknecht-Siedlung Nr. 17, zum Drosselweg 10, in ihr neu erbautes Haus. Bis 1959 war ich fast täglich in der Karl-Liebknecht-Siedlung und kannte dort viele Familien. In den Häusern hinter dem Kugelfang wohnten damals die Familien.:

Erste Straße hinter dem Kugelfang: Flock, Markert, Lindemann, Königsmann und Brieger.

Zweite Straße: Mende, Dahlmann, Rux, Koschwitz.

Dritte Straße: Klemme, Markert, Bauer Peters, im vierten Gebäude hatte Peters einen Stall für sein Vieh.

Hinten im Wald wohnte noch die Familie Felgenhauer.

In der langen Baracke an den Gewehrständen (erbaut so um 1952) wohnten die Familien Röhrig, Polster und Bahr. Vorne im Eingangsbereich wohnte die Familie Knoblauch, Flock und Wagner.  Teilweise zogen die Familien auch um, wenn eine aufgegebene Wohnung für sie besser geeignet war, als die von ihnen bewohnte.     

Andere Familien sind mir namentlich nicht mehr geläufig. Die aufgeführten Namen wurden von mir phonetisch wiedergegeben. Hinter den Unterkünften befand sich dann am Waldrand ein Bach, die Birke.

Der gesamte Bereich der Karl-Liebknecht-Siedlung war von einem Drahtzaun umgeben, der an Betonposten befestigt war und oben mit einer abgeknickten Stacheldrahtkrone gesichert wurde.  Man konnte lediglich vorne am Eingang und hinten an zwei Nebeneingängen einmal zur Unterführung unter der Bahn zur Ahlener Str.( heute zugeschüttet)  und an der anderen Seite in das Waldgebiet gelangen, von wo man nach Frielick gehen konnte.  Von alten Hessenern, die auf dem Leerfeldweg wohnten, wurden mir  Geschichten erzählt, dass während des dritten Reiches, auch noch in den letzten Kriegstagen, dort verurteilte Wehrmachtsangehörige hingerichtet worden waren. Die Erschießungen haben auf den Pistolenständen stattgefunden. Zum Wahrheitsgehalt dieser Geschichten kann ich allerdings keine Angaben machen. In den 70er Jahren war ich allerdings häufig zum Schießtraining mit der Hammer Polizei auf diesen Ständen und habe immer mit ein wenig Schaudern daran gedacht.

Nachwort: Sollten Sie, lieber Leser, noch Erinnerungen an die Karl-Liebknecht-Siedlung haben, oder sogar noch Bilder von dort in der Schublade haben. Melden Sie sich bitte bei mir unter: Siegfried Paul, Weidekampstr. 21, 59063 Hamm, Tel. 25083. Bilder erhalten Sie selbstverständlich zurück.

Herzlichen Dank