Bergamt Hamm
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Bildseite 1

Bergrevieramt Hamm

Bergamt Hamm

von Polizeihauptkommissar a. D. Siegfried Paul

 

Die Polizeihistorische-Sammlung-Paul beim Polizeipräsidium Hamm, hat heute ihren Sitz im ehemaligen Bergamt Hamm, Goethestraße 6. Bei Vorträgen und Führungen durch die Sammlung wurde ich häufig gefragt, was ein Bergamt ist und seit wann es ein Bergamt in Hamm gab. Aus diesem Grunde stelle ich hier das ehemalige Bergamt Hamm vor.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Ltd. Bergdirektor a.  D. Friedhelm Seifert und Herrn Bergoberamtsrat a. D. Dietrich Funk, die mich bei meinen Recherchen unterstützt haben.

 
  • 1861: Gründung des Bergrevieramtes Hamm. Aufgabe: Überwachung der Sohlebohrungen im Hammer Umland und des Abbaues von Strontianit *01 ) im südlichen Münsterland.

*01)  „Strontianit“ , siehe dazu Bericht in der Anlage.

(Aus „Hamms frühe Beziehungen zum Bergbau“  von F. Menneking, Bergamtsleiter in Hamm, 1974).

Seit 1861 ist Hamm in Westfalen Sitz eines Bergamtes oder, wie es bis 1943 hieß, eines Bergrevierbeamten. Dafür fiel damals die Stelle des Revierbeamten in Unna und kurze Zeit später auch die in Minden weg. Revierbeamter wurde der Bergmeister Bergassessor Gustav Brassert, ein Bruder des Verfassers des Allgemeinen Berggesetzes, des Leiters des Oberbergamtes Bonn, Berghauptmann Hermann Brassert.

Nach der Annexion Hannovers durch Preußen im Anschluss an den Krieg 1866 wurden die Regierungsbezirke Osnabrück und Aurich zum 1.7.1867 bergrechtlich dem Bergrevier Hamm zugewiesen, so dass noch im Jahre 1943 die ostfriesische Nordseeküste einschließlich der vorgelagerten Inseln, außer der Insel Wangeroog, von Hamm aus bergrechtlich verwaltet wurde. Etwa gleichzeitig wurden die Kreise Hamm (jetzt Stadt Hamm und Kreis Unna) und Soest mit den damals bei Unna und Kurl betriebenen Steinkohlebergwerken an ein Dortmunder Bergrevier abgegeben. Folgerichtig ist der Sitz des Revierbeamten zum 18.10.1869 nach Osnabrück verlegt worden und bis zum 31.12.1902 dort geblieben, bis er dann nach Hamm zurückkam.“

  • 1869: 18.10.1869 Verlegung des Amtes nach Osnabrück, da bereits Kohle im Stollenbetrieb im Tecklenburger Land abgebaut wurde.

  • 1874: Erneute Bildung eines neuen Bergreviers mit dem Sitz des Revierbeamten in Hamm.

    (Aus „Hamms frühe Beziehungen zum Bergbau“ von F. Menneking )

    „Nicht ganz fünf Jahre später machte die in Aussicht stehende außerordentliche Entwicklung des Bergwerkbetriebes in der Gegend nördlich und östlich von Dortmund die Bildung eines neuen Bergreviers mit dem Sitz des Revierbeamten in Hamm erforderlich, welche mit dem 1.Mai 1874 in Kraft trat. Die Geschäftsräume befanden sich in der Hohe Straße 16, später in der Feidikstraße 30.„

     

  • 1885: Auf dem Gelände der Stärkefabrik Hundhausen (heute JVA und AG Hamm) wird bei Wasserbohrungen ein Kohleflöz von 1,80 m gefunden.

    ( Aus „ Hamms frühe Beziehungen zum Bergbau“, von F. Menneking)

    „ Ein einzelnes Bergfeld wurde Dr. Johannes Hundhausen, Inhaber der R. Hundhausen Stärkefabrik, damals in Hamm, seit 1938 in Ahlen, die das Hundhausensche Weizenpuder herstellte, verliehen. Er hatte auf seinem Betriebsgelände in der Südenfeldmark an der Bismarckstraße, wo heute das Amtsgericht und das Gefängnis steht, 1885 statt Süßwasser für die Betriebszwecke in doppelter als der ursprünglich geplanten Teufe, bei 675 Meter, ein 1,8 m mächtiges Steinkohlenflöz und in dem darunter liegenden

    Sandstein eine stark kohlensäurehaltige Sole mit 11,8 % Steinsalz erschlossen. Das war der erste Nachweis des Steinkohlegebirges im Stadtgebiet von Hamm. Aber weder bemächtigten sich des Steinkohlenfeldes Robert Hundhausen, wie ersehnt, die Unternehmer oder der Staat, noch konnte wegen der damaligen Wirtschaftskrise mit der Ausdehnung des Bergbaus auf Hamm gerechnet werden.“  (Karte des Bergfeldes des Robert v. Hundhausen in der Bildanlage.)

     

  • 1886: 1. Oktober 1886. Verlegung des Bergrevieramtes nach Dortmund.

  • 1903: 01.01.1903 wird das Bergrevieramt nach Hamm zurückverlegt. Zunächst Standort Bahnhofstr. 30a , im Hause des Papierwarenhändlers Ernst Brauckmann (bis 30.9.1913).

  • 1912: Bau eines neuen Gebäudes für das Bergrevieramt Hamm, am heutigen Standort.  Am 01.10.1913 erfolgt die Einweihung des neuen Dienstgebäudes am Standort Goethestraße 6. (Fotos des Standortes Goethestr. 6, sowohl vor dem Neubau, als auch während und nach dem Bau, befinden sich in der Bildanlage)

  • 1914: Bergrevierbeamter und damit Leiter des Bergamtes wird Berg - Inspektor  Dr. August Middelschulte. Bau der Zechenanlagen im Raume Hamm.

  • 1901: Zeche Heinrich Robert in Pelkum-Herringen

  • 1905: Zeche Radbod in Bockum-Hövel. (stillgelegt 1990)

  • 1912: Zeche Sachsen in Heessen. (stillgelegt 1976)

  • 1913: Maximilian in Werries. (stillgelegt 1914 wegen Wassereinbruch)

  • 1920: Maximilian in Werries. (stillgelegt 1921 wegen Wassereinbruch)

  • 1943: Schacht Bayern. (stillgelegt 1943 bei 638 m Tiefe weg. Wassereinbruch) In den 80er Jahren wechselte das Grubenfeld Bayern in den Besitz des Eschweiler-Bergbau-Vereins. Eine neue Schachtanlage wurde in Hamm-Heessen in Betrieb genommen, auch sie ist heute stillgelegt.

  • 1943: Umbenennung des Bergrevieramtes in “Bergamt“.

  •  1969: Zusammenschluss aller Zechen im Raume Hamm zur Ruhrkohle, Gruppe Westfalen.

  •  1994: 30.Juni 1994. Auflösung des Bergamtes Hamm. Die Aufgaben werden nun vom Bergamt Kamen übernommen. Die Mitarbeiter gehen zum größten Teil ebenfalls dorthin.

Letzter Leiter des Bergamtes Hamm: Leitender Bergdirektor Friedhelm Seifert.     (Siehe Fotoanlagen)

  • 1995: Am 1.12.1995 bezieht die Hammer Polizei das Gebäude. Zunächst dient es als Ausweichquartier für Dienststellen aus dem Polizeigebäude     Hohe Str. 80.  Das dortige Gebäude  wird generalüberholt  und muß zu diesem Zweck komplett geräumt werden.

Heute befindet sich im Dienstgebäude Goethestraße 6 das Kommissariat Vorbeugung des Polizeipräsidiums Hamm, mit den Verkehrserziehungsbeamten, sowie die Beschulungsplattform der Datenverarbeitung. Im Obergeschoß befindet sich außerdem die Polizeihistorische Sammlung - Paul, beim Polizeipräsidium Hamm.

 
 

Fund und Abbau von Strontianit im Raum Hamm

aufgezeichnet  von Polizeihauptkommissar a. D. Siegfried Paul

nach Unterlagen des ehemaligen Leiters  des Bergamtes Hamm, Bergdirektor Friedrich Menneking, 1974
 

Strontianit ist 1787 bei dem Orte Strontian in Schottland entdeckt und danach benannt worden. Er tritt oder trat ebenso wie dort als seltenes, nur mineralogisch interessantes Begleitmaterial in hydrothermalen Gängen auf, so im Oberharz und bei Freiberg, bei Leonding in Salzburg und bei Oberdorf an der Laning in der Steiermark, außerdem in den Vereinigten Staaten, namentlich in den Staaten Neuyork und Kalifornien, in England, Tunesien, Australien, und – in einem großen eigenem Gangrevier in und bei Hamm im südlichen Münsterland und in den nördlichen Teilen der Kreise Unna und Soest. Diese Vorkommen bildeten- bisher einzigartig in der ganzen Welt- die Grundlage eines umfangreichen, ausschließlich darauf gerichteten Bergbaus.

Hier wurde das Mineral im Winter des Jahres 1839/40 in dem Steinbruch auf dem Herrensteinberg- der, neuerdings verfüllt und rekultiviert, von der Bundesstraße 63 zwischen Hamm und Walstedde an den auf der Höhe stehenden 8 Kiefern und der vorgelagerten, mit Strauchwerk besetzten flachen Resthalde noch heute gut erkennbar ist- von dem Gymnasiasten Hermann Tross wohl in eifriger Bereicherung der Naturalienkammer  des Gymnasium Hammonense entdeckt. Es wurde von dem Gymnasiallehrer Dr. Haedenkamp sowie den Apothekern vom Berg und Redicker analysiert und als Strontianit erkannt. Das war allerdings nicht der erste Fund des Hammer oder münsterländischen Strontianits. In der  Grundmauer des 1290 erbauten Klosters Kentrop wurde im vorigen Jahrhundert ein ziemlich großer Block reinen Strontianits ausgegraben. Es war schon damals beliebt, seltene und auffallende Steine in Bauwerke einzufügen. In den „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen“ der Haude und Spenerschen Zeitungs-Expedition, Berlin, vom 23. Juli 1834 ist über den Fund des Minerals bei Nienberge, westlich von Münster, beim Ausräumen eines Grabens berichtet worden. Eine durch Justus von Liebig in Gießen angestellte Untersuchung hatte ergeben, dass es aus reinem Strontianit bestand, welches im Handel einen beträchtlichen Wert besitzt, indem nach den Preislisten der Drogisten das Pfund zu 2 Talern verkauft wird. Die Stücke finden sich  30 bis 60 cm unter der Ackerkrume und sind 3 – 6 Pfund schwer.

Der eigentliche Handel mit Strontianit begann in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Doch wurden nur kleine Quantitäten, meistens in pharmazeutischen Laboratorien, zu Strontiumnitrat und zu Strontiumchlorid verarbeitet, um an Drogisten abgesetzt zu werden. Als Dr. Wilhelm von der Marck im Jahre 1851 seinen Wohnsitz von Lüdenscheid wieder nach Hamm verlegte- um die seinem Schwiegervater gehörige Einhorn-Apotheke zu erwerben- suchte er die alten Fundstellen des fast ganz in Vergessenheit geratenen Strontianits wieder auf und veranlasste Grundbesitzer und ortskundige  Männer zu weiteren Nachforschungen. Einige Jahre lang vermittelte er den Vertrieb des Minerals, der indes erst vom Jahre 1858 an ein regelmäßiger, aber immer noch recht bescheidener war und 25 Tonnen pro Jahr nicht überstieg. Von anderen Seiten wird mindestens eine ebenso große Menge in den Verkehrs gelangt sein. Lebhafter wurde die Nachfrage vom Jahr 1868 an und im Jahre 1869 ging die erste Sendung zur Verwendung für die Melasse-Entzuckerung ab.

Bis zum Jahr 1874 war in Hamms Münsterländer und märkischer Umgebung ein Lesebetrieb beim Pflügen, Drainieren und eine Gewinnung in flachen offenen Gruben und wenig tiefen Schächten, sog. Duckeln, bis zu dem hier immer hoch stehenden Grundwasser, weit verbreitet. Zur Aufsuchung verwendete man 1,80 m lange Erdbohrer mit stumpfer, meißelartiger Schneide, die in den Boden gestoßen wurden.

An Klang und Gefühl konnte man Mergel, Strontianit, Kalkspat oder Geschiebe unterscheiden. Kalkspat war und ist übrigens die vorherrschende Gangausfüllung und das wichtigste Begleitmineral. Außerdem trat sehr häufig und für die Lagerstätte typisch, vielfach Schwefelkies (Pyrit) auf.

Der von den Bauern gesammelte Strontianit wurde unter Vermittlung Dr. von der Marcks und anderen, an die chemische Fabrik Marquardt in Bonn verkauft, die noch heute als Dr. L. C. Marquardt GmbH, Beuel/Rheinland besteht. Denn, von einem ganz geringen Absatz an Apotheken abgesehen, fand Strontianit nur für das Rotfeuer von Feuerwerkskörpern und bengalischen Beleuchtung Verwendung.

Das änderte sich dann plötzlich und durchgreifend. Wegen seiner hohen Basizität entsprechend seiner Stellung im Periodischen System der Elemente, konnte man mit Hilfe von Strontiumhydroxyd durch Bildung von Strontiumsaccharaten den in der Melasse enthaltenden Zucker gewinnen, was durch  Kristallisation  nicht mehr möglich ist. Das Verfahren war  am 24 Juli 1849 von Dubrunfaux und Leplay in Frankreich patentiert und von Max und dessen Sohn Dr. Emil Fleischer für die Dessauer Aktien-Zucker-Raffinerie, Dessau, in die großtechnische Praxis übertragen worden. Die Beschaffung des nötigen Rohstoffes  sicherte der Bergingenieur Emil Venator aus Aachen, der vom Herbst 1874 ab die münsterländische- märkische Strontianitlagerstätte erkundete. Die sogenannten Dr. H. Reichardt`schen Gruben, Drensteinfurt, ein Zweig der Dessauer Aktien-Zucker-Raffinerie, Dessau, schlossen in großem Umfange Aufsuchungs- und Gewinnungsverträge mit den Grundeigentümern, hauptsächlich in der Umgebung von Drensteinfurt ab, und nahmen sogleich in großem Umfang und mit hoher Intensität den Betrieb kleiner und größerer Tagebaue und Schachtanlagen auf, so im Jahre 1872 die reichen Tiefbaugruben Bertha und Maria in der Bauernschaft Rieth bei Drensteinfurt. Daraufhin begannen zwischen Ochtrup und Dinker, zwischen Buldern und Wiedenbrück, zwischen Freckenhorst und Herzfeld viele größere und kleinere Gesellschaften, Einzelunternehmer, freie Strontianitgräber und Eigenlöhner, kleine Bauern und große Grundbesitzer eine geradezu kalifornische Schürf- und Gewinnungstätigkeit nach dem ertragreichen Silberstein oder Strunz.

In der Elberfelder Zeitung schrieb man aus Hamm, im Juli 1881:

   „Das ganze Münsterland befindet sich in einer nicht geringen Aufregung. Sobald man von Hamm aus die Lippe passiert hat, sieht man zur Seite der Bahn auf der Strecke bis Oelde und Rheda an manchen Stellen Löcher gegraben zu dem Zwecke, um den bisher wenig beachteten und selten vorkommenden Strontianit aufzufinden . Zuerst wurde dieses mineralische Gestein in Strontian in Schottland gefunden, daher sein Name; jetzt aber zeigt sich dasselbe auch in der Gegend von Lippstadt bis Drensteinfurt bei Münster in großen unerschöpflichen Mengen. An vielen Stellen ist es nur 1 m tief, an anderen durch geringen Tiefbau leicht zu erreichen. In dem Bahnhofsgarten der Station Oelde ist eine Anzahl der vorkommenden Arten des Gesteins ausgestellt. Teils erscheint es ähnlich  wie Kalkspat in kristallisierter Form, dann mit Mergel durchsetzt und endlich als silberweiße, mit dem Finger verknetbare Masse. Früher ausschließlich zu Feuerwerkszwecken und zur Erzeugung von rotem Licht benutzt, findet es jetzt bei der Zuckerfabrikation eine sehr vorteilhafte Verwendung in großen Mengen, so dass sich sein Absatzgebiet bis nach Österreich und Russland erstreckt.“

    Die Bergleute kamen aus der Umgebung von Aachen, aus der Eifel, dem Rheinland, dem Westerwald, dem Siegerland, aus Thüringen und Sachsen und aus Italien. Man arbeitete etwa 300 Tage im Jahr. Die Untertagearbeiter erhielten Durchschnittslöhne von 2,45 Goldmark je 8-Stunden-Schicht (1882), die sich Jahrzehnte in dieser Größenordnung hielten und 1910 auf etwa 3,80 Mark gestiegen waren.

     Insgesamt werden es bis 1945 über 700 Betriebe kleinsten bis größeren Ausmaßes gewesen sein, die auf etwa 100 mehr oder minder abbauwürdigen Gängen gearbeitet haben. Eine vorläufige Übersicht über die erfassten Betriebe ergibt folgende Teufenverteilung.:

        Tagebaue, Stollen, Schächte, Versuchsschächte

        unbekannter, vermutlich geringer Teufe ....              458

        Schachtanlagen     6-   10 m tief ...                                  75

        Schachtanlagen   11-   75 m tief ...                                  91

        Schachtanlagen   21-   50 m tief ...                                  71

        Schachtanlagen   51- 100 m tief ...                                  13

        Schachtanlagen 101- 115 m tief ...                                    3

Soweit die Gruben überhaupt und nicht auf einen Nachnamen oder eine Ortsbezeichnung getauft wurden, wimmelte es von Schächten Glückauf, Wilhelm, Heinrich, Maria, Anna, Bertha, Elise und so fort. Die Wahl fiel aber auch auf Christiansfreude, Germania, Goldgrube, Gottvertrauen, Hoffnung, Himmelsberg, Hohenzollern, Mondschein, Vorsicht  und Wilhelminenglück. 

     Vom Jahre 1883 an flaute der große Strontianitboom ab.  1886 waren die Dr. H. Reichardt`schen  Gruben sämtlich geschlossen. Ihnen folgten im Laufe der Jahre die übrigen, bis im Januar 1945 die letzten 70 Tonnen Strontianit aus der Grube Wickesack in der Lütkebauernschaft von Ascheberg  zu Tage gefördert  wurden. Strontianit hatte seinen Stellenwert für die Melasse - Entzuckerung eingebüßt, es wurde von dem Coelestin verdrängt, welches in großen Mengen in England, Italien und Spanien abgebaut wurde und erheblich billiger geliefert werden konnte.

     Mit dem Nachlassen der Betriebstätigkeiten war im Jahre 1886 keine Veranlassung mehr zur Beibehaltung des Amtssitzes des Bergrevieramtes in Hamm gegeben. Deshalb wurde es zum 1. Oktober 1886 zunächst nach Dortmund verlegt .

Bereits im Jahre 1903 erfolgte jedoch die Rückverlegung des Bergamtes nach Hamm.  Die Gründe dafür lagen in dem Auffinden von erheblichen Steinkohlevorkommen im Raume Hamm. Die Geschichte des Steinkohleabbaues wird ebenfalls als Anlage vorgestellt.

 
 

Steinkohleabbau im Raume Hamm

 von Polizeihauptkommissar a. D. Siegfried Paul

   ( nach Unterlagen des Bergdirektors Friedrich Menneking)

 

   Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts  hatte namentlich  durch die Aufsuchung der plötzlich  wertvoll gewordenen Kalisalze in Deutschland, die technische Weiterentwicklung des  Tiefbohrens nachhaltig gefördert und den Geschäftsumfang der privaten und staatlichen Bohrunternehmungen stark vergrößert.  Es kam hinzu, dass der Bergfiskus bis dahin auf Grund einer hervorragenden technischen Leistungsfähigkeit  seiner Bohrverwaltung in der Lage gewesen war, durch Wettbewerbsbohrungen unerwünschten Schürfern im Funde zuvorzukommen, so dass das Bohren für diese vielfach schon von vorneherein  aussichtslos war. Hier war durch die Entwicklung des Rakyschen  Bohrverfahrens ein entscheidender Wandel eingetreten. Nach diesem Verfahren gelang es, beim Schürfen auf Steinkohle bis zu 240 m am Tage zu bohren, während es beispielsweise  17 Monate gedauert hatte, um das Bohrloch Robert Hundhausen auf 675 m Teufe niederzubringen. Zur Auswertung des Verfahrens hatte der A. Schaafhausensche Bankverein  zusammen mit dem Erfinder Anton Raky und I. O. Seib  am 8. August 1895 die Internationale Bohrgesellschaft AG in Straßburg-Rupprechtsau, später in Erkelenz, gegründet. In dem seit Anfang des Jahres 1893 einsetzenden Wirtschaftsaufschwung begann alsdann die Internationale Bohrgesellschaft – und einige kleinere Bohrunternehmen – ebenso wie im Norden und im Westen des verliehenen Felderbesitzes des Ruhrgebiets so auch in der Umgebung von Hamm mit Nachdruck und großem technischen und finanziellen Erfolg nach Steinkohle zu bohren und darauf für eigene oder fremde Rechnung zu muten, d.h. Anträge auf Verleihung beim Bergamt zu stellen, welches am 1.1.1903 wieder nach Hamm gekommen war.

 In einer plattdeutschen Geschichte der Stadt Hamm, von Eduard Raabe, erzählte dieser 1904 : (Hier in Hochdeutsch wiedergegeben)

   „ Nachdem aber rund um Hamm auf so und soviel Stellen Kohlen erbohrt, und auch unter dem Namen de Wendel und Maximilian im Westen und Osten unserer Stadt Zechen gebaut worden sind, andere aber noch  in neuester Zeit entstehen sollen, ist auch hier wieder ein Bergrevier eingerichtet worden. Zu diesem Revier gehören die Regierungsbezirke Aurich, Osnabrück und Minden, Stadt- und Landkreis Münster, die Kreise Tecklenburg, Warendorf, Beckum und Lüdinghausen, Stadtkreis Hamm, Amt Rhynern und Ausnahmen der Gemeinde Bramey und Lenningsen, ferner die Gemeinden Herringen, Wiescherhöfen und Osterbönen. Wie gesagt wird, sollen demnächst noch Zechen gebaut werden von der Gewerkschaft Prinz Schönaich bei Wiescherhöfen und von Mansfeld bei Heessen.

Es wird also nicht lange mehr dauern, dann ist unsere Stadt dicht von einem ganzen Kranze von Bergwerken umzogen. Wird dann noch der große Stadthafen gebaut, dann können alle die, die noch wenigstens fünfzig Lebensjahre vor sich haben, noch ganz gut zur Taufe des hunderttausendsten  Einwohner von Hamm kommen, wozu ja schon eine ganz großartige Feier auf Stadtkosten geplant sein soll.“

Schließlich beherrschte die Internationale Bohrgesellschaft in Westfalen rund 1000 Quadratkilometer Steinkohlefelder. In dem Jahre vom 1. April 1905 bis 31. März 1906 hatte die Gesellschaft 110 eigene Bohrgeräte im Betrieb, im darauf folgenden Jahre 120. Außerdem ließ sie durch Lohn-Bohrunternehmungen für ihre Rechnung Bohrungen ausführen.  Sie erreichte dabei 1905/06 eine Bohrleistung von 177 000 m und im folgenden Jahr 197 000 m.  Zum Vergleich sei vermerkt, dass sämtliche Erdölbohrungen in Westdeutschland im Jahre 1951 bei einer sehr regen Untersuchungs-, Aufschluß- und Fördertätigkeit 404 000 Bohrmeter erreichte.

Nach vielen Jahren ungünstiger Geschäftslage im Ruhrbergbau kam es bis zum Jahre 1899 zu einer derartigen Hochkonjunktur, dass Bergbau und Eisenindustrie bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit beschäftigt waren. Im Jahre 1900 war aus der Kohlefrage geradezu eine Kohlenot geworden.

Die Versorgungsschwierigkeiten lösten zwei Bewegungen aus, die, beide seit Jahren angebahnt, nunmehr zum Durchbruch kamen :  die Erwerbung von Bergwerkseigentum durch den Staat und das Eindringen der Hüttenwerke in den Steinkohlenbergbau. Fiskus und Hüttenwerke, beide Großverbraucher von Kohle und Koks, empfanden die Abhängigkeit von den Rohstoffverbänden aus Kosten- oder aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit als untragbar und suchten sich in ihrer Kohlen- und Koksversorgung selbständig zu machen. So erwarb der Fiskus 1902 die später konsolidierten Felder An der Haard und Im Vest Recklinghausen  mit den in der Entwicklung stehenden Möller- und Rheinbabenschächten.

Im Zuge der Verflechtung der Eisen- und Stahlindustrie mit dem Steinkohlebergbau entstanden vier der sieben Hammer Zechen :

    Der Georgs - Marien – Bergwerks - und Hüttenverein betrieb bei Osnabrück vier Hochöfen, 250 Koksöfen und unter manchen anderen Werken die  Steinkohlezeche Piesberg. Diese Grube, die allerdings auch in den besten Jahren nur 640 t/Tag förderte, wurde wegen Wassereinbruch und anderen Arbeitsschwierigkeiten am 9. Juni 1898 stillgelegt. Die Gesellschaft besaß die Kuxenmehrheit der Gewerkschaft des Steinkohlenbergwerks Freiherr vom Stein bei Rünthe, das 6,6 Quadratkilometer groß und 1875/78 verliehen worden war. Insbesondere wegen der günstigen Verkehrslage zum Stammwerk erwarb die Gesellschaft deshalb bei Werne  noch Felder in Größe von 22 Quadratkilometer. Einschließlich von später käuflich erworbenen Feldern  umfasste das Feld Werne schließlich eine Fläche von 31 qkm. Zur Aufschließung  dieses Feldes waren zwei Doppelschachtanlagen vorgesehen, von denen zunächst die für die westliche Feldhälfte geplante Anlage in unmittelbarer Nähe der Stadt Werne in Angriff genommen wurde. Der erste Spatenstich zum Schacht Werne 1 fand am 17. August 1899 statt.

        Die offene Handelsgesellschaft Les Petit-Fils de Francois de Wendel & Cie., Hayingen, Lothringen, der größte Eisenerzeuger Lothringens, kaufte, um sich vom Kohlenmarkt unabhängig zu machen, von Grimberg aus dem Felde der Gewerkschaft Prinz Schönaich das 17,5 qkm große Grubenfeld de Wendel. Mit dem Abteufen der Schächte für die erste, im Südwestteil angesetzte Schachtanlage de Wendel,  ab 1937 statt mit dem Nachnamen mit dem Vornamen der damaligen Eigentümerfamilie Heinrich Robert bezeichnet, wurde am 1. April 1901 begonnen.

        Ebenso heißt es von der Eisenwerk-Gesellschaft Maximilianshütte, Sulzbach-Rosenberg (Oberpfalz): „um die Gesellschaft für die Beschaffung des Bedarfs an Kohlen und Koks  unabhängig zu machen, hat sich dieselbe veranlasst gesehen“ , bei Hamm einen Felderblock von 17,2 qkm durch Verleihung zu erwerben, nachdem sie durch die Internationale Bohrgesellschaft die erforderlichen Schürfbohrungen hatte herstellen lassen. Zur Ausbeutung dieser Kohlenfelder wurde in Braam-Ostwennemar vom 1. September 1902 ab die Doppelschachtanlage  Maximilian 1/2    abgeteuft.

        In den Jahren 1900/05 ließ die Mansfeldsche Kupferschiefer bauende Gesellschaft  von der Internationalen Bohrgesellschaft in der Nähe von Hamm Bohrlöcher niederbringen und sich darauf 14 Steinkohlenfelder in Größe von insgesamt 30,8 qkm verleihen. Im Jahre 1911, als die Kupferpreise einen relativen Hochstand erreicht hatten, hielt sie den Zeitpunkt für gekommen, die Ausbeutung des dortigen wertvollen Bergwerksbesitzes in Angriff zu nehmen, nachdem auf den unmittelbar benachbarten Bergwerken eine Reihe bauwürdiger Fettkohlenflöze tatsächlich erschlossen worden waren. In der Einladung zur Gewerkenversammlung heißt es : „ Abgesehen davon, dass wir mit dem Bau einer weiteren Steinkohlenzeche unserer Gewerkschaft eine neue Einnahmequelle zu erschließen hoffen, soll durch sie neben der Zeche Mansfeld bei Langendreer die dauernde Versorgung unserer Hüttenwerke mit gutem Koks gewährleistet werden. Die günstige Frachtlage der neuen Zeche gegenüber der Zeche Mansfeld bedeutet außerdem für die hiesigen Betriebe eine erhebliche Frachtersparnis.“ 

Die erste vorgesehene Schachtanlage, Sachsen, wurde an der Köln – Mindener Eisenbahn und unmittelbar außerhalb des Stadtgebietes von Hamm, am 12.1.1912 angesetzt.

         Außer Staat und Hüttenwerken, versuchten auch die Zementindustrie, sich eine eigene Kohlengrundlage zu schaffen. Auf diese Weise wurde von Interessenten der Ennigerloh-Beckumer Zementwerke die Bohrgesellschaft Westphalen gegründet, die 1908 zur Errichtung der Zeche Westfalen schritt. Das Abteufen der Schächte begann am 1. Februar 1909 bei Ahlen auf der anderer Seite der Köln-Mindener Bahn.

          In drei Abschnitten der in ihrem Eigentum stehenden oder von ihr durch Schlagkreise beherrschten Kohlenfelder bei Hamm, Selm und Dorsten, die der damaligen Schachtzonen am nächsten lagen, schritt die Internationale Bohrgesellschaft, bzw. der hinter ihr stehende A. Schaafhausensche Bankverein durch Tochterunternehmungen sekbst zur  Ausbeutung ihres Bergwerkeingentums. So wurde die bei Hamm gelegene 11 qkm große Berechtsame Radbod und Wittekind von der Bergwerksgesellschaft Trier mbH., Hamm,  durch die Schachtanlage Radbod 1/2 , früher noch Trier III genannt, in Hövel aufgeschlossen, zu der am 13. März 1905 der erste Spatenstich vorgenommen wurde. Der Name Radbod  noch kurz erklärt. Der aus Friesland stammende Generaldirektor,  Bergassessor a. D. Heinrich Jansen, hatte diesen Namen vorgeschlagen. Bekanntlich war Radbod von etwa 680 bis 719 Herzog der West- und Ostfriesen.

          So mündete das Schürfen, das Muten und die Verleihung der Steinkohlebergwerksfelder im Raume Hamm in den Aufbau und die Betriebsaufnahme der Zechen Heinrich Robert in Pelkum, Radbod in Bockum-Hövel, Sachsen in Heessen und Westfalen in Ahlen. Die ZechenMaximilian 1/2  in Uentrop und Hermann in Selm sind schon vor längerer Zeit stillgelegt worden. Die Schächte Maximilian 3/4  in Uentrop am Marderweg wurden im Jahre 1920/21 nur 60 m tief, der Schacht Bayern an der Eickhoffstr. , südl. des Bohrloches Hammer Brunnen wurde nur 638 m tief. Wassereinbruch beendete das Abteufen.

          Zur Geschichte der einzelnen Schachtanlage ist bereits umfangreiche Literatur erschienen. Zu empfehlen ist hier das Buch: Die Zechen in Hamm, von  Peter Voß, erschienen 1994 im Regio-Verlag Peter Voß, ISBN 3-929158-03-5  in dem auch umfangreiche Abbildungen zu sehen sind.