Hamm 1944
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Anlage 01
Anlage 02
Anlage 03
Anlage 04
Bildseite 1
und 2006

Hamm, 26.11.1944

 von Polizeihauptkommissar a. D. Siegfried Paul

 

Ein Tag in Hamm. Ein Tag während des zweiten Weltkrieges. Der Krieg ist eigentlich schon verloren. Trotzdem sterben Tag für Tag auch in unserer Stadt Menschen. Freund und Feind. Einen Tag im letzten Kriegsjahr habe ich herausgegriffen, es ist der  26. 11. 1944. Was geschah an diesem Tag in Hamm und in der Umgebung unserer Stadt ?

 
Hier zunächst ein Ausriss aus dem Wehrmachtbericht von diesem Tage.:
 

„Anglo-amerikanische Terrorbomber, die am Tag mit starkem Jagdschutz nach Nordwest- und Mitteldeutschland einflogen, warfen Bomben vornehmlich auf Wohngebiete verschiedener Städte und auf zahlreiche Landgemeinden. Dabei entstanden besonders umfangreiche Schäden im Stadtgebiet von Hannover, das in letzter Zeit wiederholt das Ziel feindlicher Luftangriffe war, und in Hamm.  88 feindliche Flugzeuge wurden abgeschossen, darunter 61 viermotorige Bomber.“

 

Aus den Aufzeichnungen der Luftschutzwache des Oberlandesgerichtes über Alarme und Fliegerangriffe, ist unter dem 26.11.1944 folgendes vermerkt. :

 

„26.11.1944 : Zwischen 12,10 u. 12,20 Uhr schwerer Angriff auf die Stadt Hamm, hauptsächlich auf das östliche Stadtviertel. An der Hesslerstrasse werden zahlreiche Häuser zerstört. Blindgänger an der Hermannstraße (Anmerkung des Verfassers: Heute Josef-Wiefels-Str. ) bei dem Garten Freitag. Die St. Agneskirche u. die gegenüberliegende Volksschule wurden zerstört. Der Bunker unter der Oststraße vor dem kleinen Exerzierplatz erhielt einen Volltreffer. Mehrere Personen wurden getötet. Stark beschädigt wurden mehrere Häuser an der Oststrasse und die Brauerei Isenbeck.“

 

Dieser eher nüchterne Bericht lässt erahnen, was in Hamm geschehen war. Aus den Unterlagen des Polizeiärztlichen Dienstes, dessen Leiter Dr. Wilms war, der gleichzeitig das Amt des leitenden Luftschutzarztes bekleidete, geht heute noch die Zahl der Verletzten und Toten dieses Angriffes hervor.

Insgesamt ließen 33 Menschen bei diesem Angriff ihr Leben. (siehe Anlagen) Im Erdbunker Oststrasse kamen allein 14 Menschen ums Leben.

Die Liste der verletzten und gefallenen Wehrmachtsangehörigen dieses Angriffes umfasst 24 Personen, wobei ein Toter und 23 Verletzte zu beklagen waren. Diese Personen wurden alle im Reserve Lazarett Hamm aufgenommen. Alle Personen stehen heute noch namentlich fest.

Was sich bei diesem Angriff vor dem Hochbunker Widumstraße ereignet hat, kann man erahnen, wenn man den Bericht von dem Angriff vom 25. Oktober 1944 liest. Bei diesem Angriff waren vor dem Bunker 6 Personen zu Tode gedrängt worden.  (Siehe Anlagen)

Soweit die Folgen dieses eher kleineren Angriffes, in der Stadt Hamm. Doch schauen wir uns nun einmal die Gegenseite, damals die Feindseite, an. 61 Bomber waren von der Flak abgeschossen worden. Wie war es wohl den Besatzungen ergangen  und gab es Überlebende ?

 
 
  • Am  05. Juli 2005 erhielt ich folgende E-Mail :
„Von Finn Buch < Denmark >
An Siegfried.Paul@ polizeihistorischesammlung-paul.de
Attention  Polizeihauptkommissar Siegfried Paul.

Ich habe Ihre Webseite mit großem Interesse gelesen und mein Interesse gehört auch dem Leben in Hamm während des 2. Weltkrieges.

Ein guter Freund von mir in den USA, Mrs. Wayne Daniels, früher Pilot eines amerikanischen B 17G-Bombers von der 388. BG mit der Seriennummer 44-6626 stürzte in der Nachbarschaft von Hamm am 26.11.1944 ab. Das Flugzeug wurde von der Flak getroffen.

Der Auftrag an diesem Tag war die Bombardierung des Hammer Verschiebebahnhofs.  Nach unbestätigten Meldungen ist das Flugzeug an folgendem Ort niedergekommen. 1,5 km nordöstlich von Heessen und sechs Kilometer nordöstlich von Hamm, an der Straße von Heessen nach Dolberg.

  Die Crew:

      Pilot: 2Lt Wayne W. Daniels (Kriegsgefangenschaft) Peoria IL

      Co-Pilot: 2 Lt Bernard G. Rieth (Kriegsgefangenschaft) Syracus NY

      Navigator:  2Lt Alfred Y. Soo (Kriegsgefangenschaft) Berkely, CA

      Bombenschütze: 2Lt Roger C. Randles (gefallen) Concord, CA

      TopTurret: Sgt Harold R. Saunders (Kriegsgefangenschaft) Portsmouth,PA

      Funker: Sgt Wilbur A. James (Kriegsgefangenschaft) Finelyville, PA

      Ball Turret: Sgt Joseph D. Shaffer (gefallen) Wyandote, MI

      Bordschütze: Sgt Philip J. McCaffrey (gefallen) Vallejo, CA

      Heckschütze: Sgt Malcolm R. McInnes (gefallen) Austin, TX

Meine Frage: Können Sie Mr. Daniels helfen, Details zu klären und die Stelle zu finden , an der das Flugzeug runtergekommen ist?  Läßt sich auch feststellen, wo er sich befand, bevor er gefangen genommen wurde ?

     Mr. Daniels wird Ende des Jahres eine Reise nach Hamm unternehmen. Ich kann Ihnen sagen, dass Sie keine Probleme mit der Verständigung haben werden, weil seine Frau Österreicherin ist. So kann sie übersetzen.

Wayne W. Daniels ist heute Präsident der 338. Bomber-Gruppen Vereinigung. Ich würde mich freuen, wieder von Ihnen zu hören. Eine Kopie dieser Mail werde ich Mr. Daniels schicken. Sie können direkt Kontakt mit ihm aufnehmen, aber bitte bestätigen Sie mir den Empfang dieser Mail. „

     Zunächst habe ich Frau Anneliese Beeck von dieser Mail informiert und sie gebeten im Rahmen ihrer Recherchen beim Hammer Westfälischen Anzeiger nachzusehen, ob dort schon etwas zu diesem Absturz bekannt war. Frau Beeck erinnert sich, von dem Absturz  gehört zu haben und riet mir, mich an  Frau Rita Kreienfeld (Ortsheimatpflegerin von Heessen) zu wenden. Außerdem übersetzte sie mir die Mail, die ursprünglich in englisch geschrieben war.

 
Mein nächster Schritt war natürlich die Kontaktaufnahme mit Frau Kreienfeld.
 
Ergebnis :  Ich erhielt von ihr folgende E-Mail.
 
 „Hallo Herr Paul, die Geschichte mit dem amerikanischen Bomber habe ich im Jahre 2000 fast vollständig geklärt. Mehrere Zeitungsartikel sind erschienen, ich habe mit mehreren Amerikanern gemailt und mit John Meurs, einem Schweizer Buchautor, der über die Squadron ein Buch geschrieben hat.  Was ich nicht herausfinden konnte, trotz intensiver Suche per Heimatverein Dolberg, war die Stelle, wo der Fallschirm runterkam. Ich schicke Ihnen im Anhang die von mir übersetzten biographischen Notizen und einen Zeitungsartikel. Viele Grüße Rita Kreienfeld. „
 

Hier der Zeitungsartikel aus dem WA.::

      „ Es war Sonntag, der 26. November 1944, den Theo Wickord aus Westhusen nicht so schnell vergessen würde. Noch jemand hat diesen Tag niemals vergessen. Wilbur James aus Finelyville in den USA. Es ist ein klarer kalter Novembertag, als Theo Wickord, damals 14 Jahre alt, mit seiner Familie am Mittagstisch sitzt. Wie oft zu dieser schrecklichen Zeit, fliegen amerikanische Flieger in ihren „fliegenden Festungen“, einem Bombenflugzeug vom Typ Boeing B-17G, hoch über Dolberg, Westhusen, Heessen in Richtung Hamm, um hier die Bahnlinie und den Bahnhof Hamm zu bombardieren, zu treffen und zu zerstören. Aber an diesem 26. November wird einer der amerikanischen Bomber von der Flak getroffen, gerät ins Trudeln und stürzt direkt vor Wickords Haustür in die Lippewiesen. Der junge Theo Wickord sieht Fallschirme in Richtung Dolberg verschwinden. Rechtzeitig, bevor die Maschine explodiert, können sich vier der neun Besatzungsmitglieder mit ihrem Fallschirm retten. An einem der Fallschirme hängt der junge Funker des Bombers „Thunderbird“ Wilbur James. Über seine Erlebnisse und die seiner überlebenden Kameraden in Deutschland nach der Fallschirmlandung irgendwo in der Dolberger Gegend, die er schwer verletzt überlebte, hat Wilbur James einen spannenden Bericht verfasst.

Es ist ihm ein Anliegen herauszufinden, wo er damals runtergekommen ist und wer ihm und zweien seiner Kameraden geholfen hat. Besonders ein Kind, ein Mädchen von vielleicht zwölf Jahren, müsste doch noch zu finden sein. Sie war die Erste, die bei dem anderen Soldaten Harold Saunders war, der auf freiem Feld niedergegangen war. Unter Schock stehend fragte er sie, wie das denn käme, dass er in Holland gelandet sei. Und sie antwortete ihm in einwandfreiem Englisch, dass er sich in Deutschland befinde.

   Alle drei Soldaten wurden in eine Krankenstation gebracht, wo sie von zwei katholischen Nonnen versorgt wurden; das könnte möglicherweise in Heessen gewesen sein. Für Wilbur James sind die beiden Nonnen bis heute die reinsten Engel geblieben. Von dort brachte man die Soldaten in das Lazarett nach Eickelborn, wo sie ihren vierten Kollegen trafen, der weiter weg, vielleicht in der Beckumer Gegend gelandet war. Die übrigen vier Besatzungmitglieder starben in ihrem Flugzeug. Der kleine Theo Wickord sah ihre Leichen, die noch in der Flugzeugkanzel saßen, die an den Waldrand gestürzt war.

Vielleicht gibt es noch Menschen in Heessen und Dolberg, die sich an den Abschuß dieses Bombers erinnern können. Wir wissen nicht genau, bei welchem Bauerhof Wilbur James runterkam, wer erste Hilfe leistete und wer ihn mit einem zweirädrigen Ochsenkarren in die Krankenstation  gebracht hat. Der dritte Kamerad Bernard Rieth kam in einem Sumpf herunter, aus dem er von Bauern befreit wurde. Lebhaft in Erinnerung ist den drei amerikanischen Soldaten die Tatsache, dass gleich nach der Landung sich Bauersfrauen um die Fallschirmseide stritten.“

Soweit der Artikel aus dem WA. Leider hat er kein Ergebnis gebracht und bis heute kann nicht gesagt werden, wo die Fallschirme landeten. Da die Amerikaner aber im Bereich Dolberg herunter kamen, dürften sie nicht nach Heessen, sondern eher nach Ahlen gebracht worden sein, dafür spricht auch die spätere Verbringung nach Eickelborn.

Wilbur A. James hat später ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben, mit dem  Titel  „Schicksal der Thunderbird“.  Aus dem Manuskript dieses Buches hat Rita Kreienfeld die Angaben der Bomberbesatzung von Westhusen ins Deutsche übersetzt. Hier die Übersetzung aus dem Jahre 2000 :

 

„ Landung in Feindesland.

 James:  Nachdem sich mein Fallschirm geöffnet hatte, wurde mir sehr kalt. Die Explosion hatte meinen Stahlhelm, Flughelm und Brille, die schusssichere Weste, die beheizten Handschuhe und, obwohl ich mir nicht sicher war, sogar meine Stiefel weggeblasen. Ich hatte nur meine seidenen Handschuhe an und bedeckte meine Ohren mit den Händen. Da es unter 55 ° unter Null war, kriegte ich  Frostbeulen an Händen, Ohren, im Gesicht und an den Füßen. Während ich runterkam, war es sehr still. Alles was ich hörte, war das Krachen des Fallschirms- sehr kalt und ruhig. Ich guckte herum und es schien als sei ich Meilen oberhalb der Erde. Es waren keine Flugzeuge zu sehen. Alles was ich sah waren drei Fallschirme, sehr weit unter mir. Die Tatsache, dass sie so weit unter mir waren, lässt mich seither glauben, dass ich der erste war, der die Reißleine gezogen hatte und dass ich am höchsten dort am Himmel hing. Ich wusste, ich war schwer verwundet und dass ich deshalb keine Chance hätte zu entkommen. Ich brauchte medizinische Hilfe. Ich dachte daran, dass ich Kriegsgefangener werden würde, aber irgendwie störte es mich weiter nicht.

Ich vermute, dass ich einen Schock erlitten hatte, aber doch noch den Überlebensinstinkt besaß.

Nachdem ich eine ganze Strecke runtergekommen war, bemerkte ich, dass die

Deutschen mich beschossen. Es gab keine Flugzeuge, auf die sie hätten schießen können und ich konnte hören, dass es 88 mm Flak Munition war, die hinter mir krachte.

Daniels:  Kann es nicht sein, dass die 88er Munition eher höher explodiert ist, als dass sie auf dich zielte ?  Während meiner Fallschirmlandung, sind ja Bomben neben mir heruntergefallen, von den Flugzeugen, die hinter uns kamen. Darauf zielte die Flak.

James:  Ich glaubte sicher, dass ich getroffen würde und schloss die Augen. Nach einer Weile hörte es auf. Ich werde die totale Stille beim Herunterkommen aus so großer Höhe niemals vergessen, und nichts war um mich herum. Nach einer Weile wurde ich mir der Tatsache bewusst, dass ich beinah unten war. Die Erde kam sehr schnell näher. Ich war auf Bauernland, und immer hatte ich die Erinnerung, dass Schnee lag, aber vielleicht war es auch nicht so, weil niemand von Euch sich an Schnee erinnern kann. Meine Landung wurde nun Wirklichkeit. Ich konnte sehen, dass ich auf ein Bauernhaus zufiel und ich strampelte wie verrückt um vorbei zu kommen. Ich flog darüber und geriet sehr nah an einen hohen Baum, eine riesige Eiche. Ich schlitterte daran vorbei und sah, dass ich einen Zaun treffen würde. Irgendwie kam ich daran vorbei und schlug hart auf den Boden auf. Als ich aufschlug, krachte mein linkes Bein wie ein Gewehrschuss. Es brach, vielleicht weil es auch schon durch die Flak angeschossen war und der Knochen schon angebrochen war. Der Wind trieb meinen Fallschirm über den Boden und ich schleuderte mit meinem gebrochenen Bein sehr schnell hinterher. Ich tat alles um den Schirm zu greifen, aber wurde ein Stück gezogen, bis es mir endlich gelang. Ich sah einige Leute aus dem Bauernhaus kommen, dass ich fast getroffen hätte und sie rannten auf mich zu. Mein linker Fuß war um 90° nach links verdreht, schwer gebrochen. Sofort kam ein Mann zu mir gerannt, in einer Art Militäruniform gekleidet, sehr verschieden von dem , was ich später die Deutschen tragen sah. Er beugte sich über mich und sagte , in perfektem Englisch, dass er mir zu helfen versuche und mich schnell ins Haus bringen wolle. Ich erinnere mich, dass aus allen Richtungen Leute über die Felder angerannt kamen. Eine dicke Frau rannte zu mir und ich sah, dass sie Holzschuppe trug. Ich   sagte : „Hollanda?“  Sie antwortete: „Nix Hollanda, heil Hitler.“ Was für ein Schock. Ich hatte einen Moment gedacht, der Wind hätte mich nach Holland hineingetragen. Währenddessen machte ich meinen Fallschirmverschluss auf  und ließ ihn auf den Boden fallen. Es waren jede Menge Leute um mich herum. Ich stand unter Schock und hatte fürchterliche Schmerzen. Ich wollte mir selbst Morphium geben um die schrecklichen Schmerzen loszuwerden. Ich langte nach meiner Erste-Hilfe-Ausrüstung, die auf meiner Fallschirmdecke befestigt war, aber einige Leute hechteten nach mir, machten sie los und nahmen sie mir weg. Ich habe schon oft gedacht, ob sie geglaubt haben, das sei eine Handgranate. Dann stritten sich einige der deutschen Frauen um meinen Fallschirm. Ich wette, dass sie schwer hinter der Seide her waren. Ich lag da am Sterben und sie stritten sich um meinen Fallschirm. Der Mann, der zuerst zu mir gekommen war, verschwand in der Menge. Es wurde viel auf Deutsch geredet, aber ich weiß nicht worüber die Menge sprach. Nach einer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit erschien, konnte ich einen Mann kommen sehen, der einen Karren bei sich hatte, der von einem Ochsen gezogen wurde. Er kam ganz nah zu mir, während die Menge zurücktrat, und einige Leute hoben mich vorsichtig auf das Stroh, mit dem der Ochsenkarren bedeckt war. Da beugte sich der Mann, der, den ich zuerst gesehen hatte, der in der Uniform, über mich und sagte: „Hier, du hast deinen Füller verloren. „ Mein Füller muss aus einer der Taschen meines Fliegeranzuges heraus gefallen sein.

Ich habe mich immer über den Mann gewundert. Ich glaube, wenn meine Landung nicht von so vielen Leute bemerkt worden wäre, irgendwie hätte er versucht mir zu helfen.

Die holprige Fahrt in die Stadt.

Für mich schien es eine lange Zeit zu sein, in der der Ochsenführer den Karren oder Wagen eine sehr schmale holprige Straße hinunterführte. Jedes Holpern verursachte bei mir schwere Schmerzen, mein gebrochenes Bein rumpelte hin und her und jede Wunde begann schlimm zu schmerzen. Ich bin sicher, dass ich auch durch den harten Schlag verwundet wurde, als sich der Fallschirm bei einer Geschwindigkeit von etwa 150 – 180 Meilen pro Stunde öffnete. Wayne sagte, dass der Wind mit 60 Knoten von hinten wehte, sodass wir runtersausten wie so eine Bombe. Als wir dort entlang fuhren, schaute ich auf und sah eine Flugzeugformation, und ich fühlte, dass sie auf dem Weg zurück nach England waren. Es waren nur 12 in der Formation und damals dachte ich, es wäre unsere, die ohne mich heim flogen. Ich fühlte mich sehr einsam, zurückgelassen, und wusste nicht, wie viele meiner Kameraden schon tot waren.

Später bemerkte ich, dass die Formation nicht meine gewesen sein konnte, sie mussten längst weg sein. Ich fühlte mich trotzdem einsam.

Der Ochsenkarren hielt endlich vor einem kleinen Krankenhaus an und der Fahrer ging hinein. Zwei katholische Nonnen, die Krankenschwestern gewesen sein müssen, kamen mit dem Mann heraus und jemand hob mich auf eine Trage und brachte mich in ein Zimmer, dass mir vorkam wie ein Operationsraum. Ärzte waren nicht da, nur die beiden Schwestern. Sehr vorsichtig schnitten sie das linke Bein meines Fliegeranzugs auf, um das verwundete gebrochene Bein freizulegen. Sie gaben mir eine Spritze, die half, mich von den Schmerzen zu befreien. Ich stand unter Schock, aber beobachtete alles was sie taten. Sie säuberten die Wunden und machten dann einen Gipsverband, um das gebrochene Bein in eine korrekte Stellung zu bringen.

Ich konnte nicht verstehen was sie sagten, aber ich spürte das Mitleid, das sie für meine Leiden hatten. Als sie fertig waren, griff ich in eine meiner Taschen und zog ein oder zwei Kaugummipäckchen raus. Ich gab sie ihnen und sprach ihnen meinen Dank für ihre Freundlichkeit aus. Zunächst wollten sie nicht annehmen, aber ich drängte sie und zum Schluss nahmen sie das Kaugummi an.

Das ist das letzte woran ich mich erinnere. Etwas später, ich weiß nicht warum ich wach wurde, aber es war dunkel und ich war in einem sehr kleinen Zimmer, da stand ganz nah bei meiner Liege oder Bett, auf dem ich lag, genau gegenüber ein anderes, auf dem Rieth lag und nahe bei mir auf einem Stuhl zu meinen Füßen sitzend, war Saunders. Nun wusste ich, dass wenigsten noch zwei andere überlebt hatten.

Saunders nannte mich die ganze Zeit Hauptfeldwebel (Staff Sergeant). Ich verstand nicht warum er das tat, aber dann wurde mir klar, dass wir uns zu Hauptfeldwebeln beförderten, denn je höher der Rang, desto besser hätten wir es in den Händen der Deutschen. Wir gaben nicht zu erkennen, dass wir uns kannten und redeten nicht zu viel. Ich  wusste, dass Rieth ernsthaft verwundet war und ich konnte sehen, dass Saunders ein sehr dickes blaues Auge hatte, sein ganzes Gesicht war geschwollen, so schlimm als hätte er einen harten Kampf gehabt, den er verlor. Etwas später am Abend wurden wir drei in ein ungeheiztes deutsches Ambulanzfahrzeug getragen. Wieder lag Rieth mir gegenüber auf einer Trage und Saunders saß, vielleicht auf meiner Trage, nah bei meinen nackten Füßen.  Als wir losfuhren war ich groggy, und ich bin sicher, Rieth und Saunders ging es ebenso. Es war Winter und ich hatte sehr kalte bloße Füße. Ich sagte zu Saunders, indem ich vorgab ihn nicht zu kennen: „Kamerad, würdest du die Decke über meine Füße ziehen ? Sie sind kalt.“ Er versuchte es, aber er war so steif und stand so unter Schmerzen, dass er es nicht schaffte. Ich litt also den ganzen Rest der Fahrt zum Reservelazarett Eickelborn an der Kälte. Das war früher eine Nervenheilanstalt gewesen, verwandelt in ein Kriegskrankenhaus.

Rieth – Kommentar von James-.

Ich kann mich nicht erinnern, dass Rieth mir irgendwas über seine Fallschirmlandung  in Deutschland erzählt hat, außer darüber, wie er aus dem Flugzeug flog und wie er seinen defekten Fallschirm aufkriegte. Später haben mir die Deutschen erzählt, dass Rieth in einem Sumpf landete und als sie ihn fanden, dasaß und Schals aus der Fallschirmseide machte. Sie holten ihn raus, trugen ihn in ein Auto und zwei deutsche Polizisten bewachten ihn, einer an jeder Seite. Als sie dort entlang fuhren, versuchte er sie zu entwaffnen, aber sie ließen ihn in Ruhe und haben ihm nichts getan. Ich bin überzeugt, dass sie ihn zu der Krankenstation brachten, wo ich ihn und Saunders zuerst getroffen habe. Meiner Meinung nach litt Rieth unter einem schweren Schock und erinnerte sich an nichts mehr.  Rieth war schwer verwundet. Er hatte eine wirklich große Schusswunde am Gesäß und war am Bein getroffen was ihm Probleme bereitete, seinen Fuß hochzuhalten. Er war sicher auch noch woanders verwundet.

Saunders.:

Ich landete auf offenem Feld und es gab keinen Schnee. Ein kleines Mädchen kam, das war etwa 12 Jahre alt. Sie kam über das Feld gerannt und ich sagte: „Wo bin ich? Wie bin ich denn nach Holland gekommen ?“ Ich sagte, dass der Wind mich ganz schön weit getragen haben muss. Sie sprach perfekt Englisch, weil sie aus Detroit war und in Deutschland geschnappt worden war, bevor sie zurück konnte. Wir gingen zu einem Bauernhaus, einem großen Bauernhaus, und dort war ein Haufen Leute. Sie hatten da diese örtliche Wachabteilung aus lauter Bauerntölpeln, die mich zur Polizeistation brachten und da nahmen sie mich fest (und brachten mich vermutlich zu dem Krankenhaus, wo wir drei uns trafen.)

James Kommentar: Saunders hat mir mal erzählt, dass die Deutschen ihn in dem Bauerhaus verhört haben und von ihm die Namen der übrigen Flugzeugbesatzung wissen wollten. Ray log und erzählte ihnen, dass er keinen von uns kannte, dass er am Morgen wach geworden, als man ihm sagte, dass er eine Lücke in der Mannschaft füllen müsse für einen, der nicht fliegen konnte. Dabei schlugen sie ihn, boxten ihn gegen einen heißen Herd und er verbrannte sich.

 Saunders:

Wir (Saunders, Rieth und James) landeten ziemlich nah beieinander. Müssen wir, weil wir ja in demselben Krankenhaus waren, nicht ? Beim Herunterkommen mit dem Fallschirm war es sehr kalt und ich habe es anscheinend ausgehalten, Frostbeulen an einem Fuß zu kriegen. Beide Hände wurden schwarz, du weißt, dass meine Finger dick waren wie Boxhandschuhe.

Soo:

Als ich in meinem Schirm runterkam, sah ich Fallschirme. Ich kann mich nicht entsinnen wie viele, und ich kann mich nicht erinnern, wie sich mein Fallschirm geöffnet hat. Ich würde sagen, ich war halb bewusstlos und ich weiß nicht wie er sich öffnete. All die Wunden die ich hatte, waren Fleischwunden, nichts an den Knochen, die waren heile. Ich verlor meine ganzen Sachen. Tatsache ist, ich muss irgendwie raus gekommen sein. Während der Explosion ist mein Fallschirm aufgegangen – mein Eindruck ist, dass nur ich zurückblieb. Ich kann mich entsinnen, dass mir kalt war, aber ich bekam keine Frostbeulen. Ich hatte keine Ahnung wie hoch ich war, aber ich weiß, es war kalt und das ist alles. Das war eigentlich keine besondere Sensation. Ich glaube ich landete vielleicht 15 Meilen von euch entfernt. Ich sah keine Flugzeuge wie ihr sie gesehen habt nach der Explosion und ich sah keine Bomben, wir müssen getrennt worden sein. Ich konnte den ganzen Krach hören und plötzlich , keine Ahnung warum, es bringt mich auf eine wirkliche Erinnerung. Alles was ich sehen konnte war das Feuer, das aus den Flugabwehrkanonen kam. Es schien, als guckte ich in die Mündungen von diesen Kanonen. Hat einer von euch das gesehen ? Es war, als hätte ich eine Kanone vor der Nase, aber es war ja nicht so, aber ich konnte die anderen Flugzeuge sehen, wie sie runter gingen und der Grund warum ich fragte wo ihr wart, wie lange ihr brauchtet um zu dem Krankenhaus zu kommen ist der , weil, als ich landete, da landete ich auf Bauerland, auf freiem Feld.  James, du hast gesagt, dass du Schnee gefühlt hast, aber ich habe keinen Schnee gefühlt, und ich habe auch nicht bemerkt, dass der Boden kalt war. Es war trocken, weil ich wusste, dass das Knatschen das ich hörte, in meinen eigenen Schuhe war und nicht im Schlamm.  Mein Fallschirm hatte sich in einem Baum verheddert. Was ich zu sagen versuche ist, dass ich vielleicht der war, den du hast runterkommen sehen. (Wayne) ich kann mich nicht entsinnen, ob mein Fallschirm kaputt war.

Die zwei deutschen Soldaten kamen zu mir und marschierten mit mir hinunter zu einem Jugendcamp. Ich war mir eines Schocks nicht bewusst, ich bemerkte auch keine Verletzungen. Als wir die Straße runtergingen, merkte ich plötzlich, dass ich keine Stiefel anhatte, nur meine GI-Schuhe. Mein Fuß war geschwollen und er würde ganz in die Stiefel passen, aber ich hatte nur die GI-Schuhe an. Und sie knatschten und ich wurde nicht schlau daraus was es war, und plötzlich merkte ich, warum sie so knatschten. Sie waren voller Blut. Wir gingen weiter zu dem Jugendcamp. Dort behielten sie mich über Nacht und am nächsten Morgen kam jemand und brachte mich zum Krankenhaus. Sie hatten einen kleinen Heuwagen und damit brachten sie mich zum Krankenhaus. Ich glaube, ich fuhr dahin und kam dann wieder zurück. Das Krankenhaus war nicht Eickelborn. Sie brachten mich dahin, in der Tat glaube ich, dass sie mich trugen, eher als dass ich lief, und ich glaube, da bekam ich Fieber und der Schock machte sich bemerkbar. Kurz danach trugen sie mich zurück und ich glaube, dann verfrachteten sie mich in ein Auto und brachten mich nach Eickelborn. Ich erinnere mich, dass einer ab und zu mal nach hinten gehen musste und heizen (stochern ?), weil das so ein Holzvergaser-Auto war. So brachten sie mich nach Eickelborn.

Ich weiß nicht, ob ich eine Zeit in jenem Krankenhaus blieb und sie mich dann mit dem Auto nach Eickelborn brachten. Sie brachten mich nach Eickelborn und da wart ihr alle zusammen und das war wenigstens einen Tag später.

Daniels:

Ich kam runter durch den „overcast“ und landete. Ich überprüfte was in meinen Taschen war und beseitigte meine Fluchtausrüstung nicht, weil ich mich entsann, dass das nicht notwendig sei. Ich befreite mich von dem geheimen Code, der in meiner Tasche war und hatte eine Menge röhrender Geräusche im Ohr. Ich landete in einem kleinen Baum. Ich duckte mich zuerst unter einige Büsche und überprüfte meine Fluchtausrüstung, aber ich war durcheinander, ich konnte der Karte nicht folgen. Ich fühlte, dass es am besten sei so schnell wie möglich zu verschwinden und das Beste was ich tun konnte, war die Richtung herauszukriegen, der Kompass war oben auf der Fluchtausrüstung und ich gebrauchte ihn um nach Westen zu kommen und es gelang den Deutschen ungefähr zwei Stunden lang auszuweichen. Ein lustiger Zwischenfall passierte, ungefähr nach einer Stunde oder so. Ich bekam Schmerzen und fühlte mich unwohl. Ich sah, dass ich mir den Arm ziemlich ernsthaft aufgeschnitten hatte und entsann mich, dass wir bei der Übung angehalten worden waren, Sulfonamidtabletten zu nehmen um Infektionen zu neutralisieren. Ich nahm sie also und es war der scheußlichste Geschmack, den ich je geschmeckt hatte. Ich spuckte aus und entweder schon da oder später guckte ich noch mal in meine Fluchtausrüstung und bemerkte, dass ich versucht hatte eine Jodheliozontablette zu schlucken. Ich hatte versucht eine Tablette zu schlucken, die eine Gallone Wasser gereinigt hätte, anstatt eine Sulfonamidtablette. Du sollst Sulfonamid auf die Wunde tun, aber es gab nur Tabletten in unserer Fluchtausrüstung, kein Puder. Ich habe mich nicht weiter darüber geärgert und ging weiter und wurde von Bauern gefangen. Sie brachten mich zu einer kleinen Stadt in der Nähe, wo das Flugzeug abgestürzt war und einige Leute zeigten mir Stücke von dem Flugzeug, eingeschlossen den Hauptkompass. Die Kinder hatten ihn und ich muss wohl ziemlich nah an der Maschine gewesen sein. Man behielt mich einige Tage im Gefängnis, wo ich hohes Fieber bekam und delirierte. Da nahm ich die Sulfonamidtablette mit Wasser oder Kaffee, den sie mir gaben.

Von dort kam ich zu unserem Ziel und kam in das Gefängnis nach Hamm. Ich wurde dann zu dem Bahnhof gebracht, den wir bombardiert hatten, eine Weile von den Leuten dort bedroht, auf einen Zug gesetzt und verließ die Gegend. Zum ersten Mal machte ich die Erfahrung, Luftangriffe mit Deutschen in Bahnhöfen oder Bunkern zu überstehen und zu ertragen. Meine Wachen beschützten mich bei verschiedenen Gelegenheiten davor, gelyncht oder angegriffen zu werden.

Kommentar von James:

Einen Punkt, den Daniels ausgelassen hat ist der, dass als er im Gefängnis, ich glaube in Hamm war, nachts Männer kamen um ihn zu lynchen, aber die Frauen verhinderten es. Ich glaube, dass man ihn zu seiner eigenen Sicherheit ziemlich schnell von Hamm weggebracht hat. Daniels kommentiert, dass dies im Hammer Bahnhof geschah.

Daniels fährt fort:

Ich wurde dann zu einer Luftwaffenstation gebracht, bewacht von zwei Wehrmachtsoffizieren und der Luftwaffe übergeben. Die Luftwaffe wies mir eine Wache zu und brachte mich nach Frankfurt zum Verhör. Ich bin ungefähr 15 Meilen von euch entfernt gelandet und ich glaube nicht, dass die Deutschen uns alle zusammenbrachten. Ich hatte keinerlei Anzeichen bemerkt, dass es Leute gab, die glaubten, dass wir alle zum gleichen Flugzeug gehörten, wir waren so weit von einander entfernt, an einem anderen Ort. Tatsache ist, dass sie nicht mal bemerkt haben, dass es dasselbe Flugzeug war. Im Gefangenenlager habe ich mit einer anderen Person gesprochen, die der Rest einer Bomberbesatzung war, die bei demselben Angriff abgeschossen wurde. Als sie von dem Ziel abdrehten, wurden sie von Jägern angegriffen und sie dachten, sie seien das einzige Flugzeug gewesen, dass abgeschossen wurde. Aber es waren anscheinend wenigstens zwei und sie waren nicht Teil unserer Abteilung. Sie waren Teil der dritten und vierten Formation, die das Ziel angriffen.  Ich war total abgesondert, ich wusste nicht was los war. Wo ihr wart oder wer ihr wart und ich ging eine ganz andere Route – nicht ins Krankenhaus, sondern nach Frankfurt, früher als Saunders und Soo.

Eickelborn Reservelazarett, 26. November 1944 nachts.

James:

Als Rieth, Saunders und ich während der Nacht ankamen im Eickelborner Krankenhaus, kann ich mich lebhaft erinnern, dass wir im Operationssaal waren. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob Saunders dabei war, aber Rieth war mit mir da. Ich bin nicht sicher.  Ich lag auf einer Trage oder vielleicht auf dem Operationstisch und hatte hohes Fieber und furchtbare Schmerzen. Es rannten Leute eifrig im Zimmer herum, aber die einzigen zwei, an die ich mich sehr gut erinnern kann, waren der deutsche Arzt Lorent, der Hauptmann war und ein arroganter SS-Offizier. Ich brannte vor Fieber und bat um Wasser. Nach einer Weile gab mir jemand einen Eimer Wasser zu trinken, aus dem Wasserhahn und später erfuhr ich, dass das ganze Wasser in den Leitungen verschmutzt war. Ich trank es und war dankbar dafür.

Der SS-Offizier begann mich zu verhören, aber alles was ich ihm sagte war: „Ich bin Feldwebel Wilbur A. James und meine Nummer ist 33422508“  Er wollte wissen, in was für einem Flugzeug ich gesessen hatte, von wo ich abgeflogen war und jede Menge anderer Fragen. Ich blieb dabei und wiederholte meinen Namen, Rang und Nummer. Der SS-Offizier entdeckte die Ringe an meinen Fingern und versuchte sie abzuziehen. Obwohl ich groggy war, Fieber hatte und unter Schock stand, war ich  stärker als er und hielt meine Hand geschlossen. Die Ringe waren mein Highschoolabschluss-Ring und ein billiger Airforce-Ring. Ich zeigte auf meinen Highschool Ring und sagte „Mutter“ um ihn glauben zu machen, dass meine Mutter mir den Ring geschenkt hätte und ich den gerne behalten würde. Er blieb aber dabei, meine Hände aufzumachen  und ich ließ meine Hände zu und machte ganz feste Fäuste. Das ging immer so weiter. Schließlich riss er seine Offiziersmütze vom Kopf, knallte sie auf den Boden und begann mich anzubrüllen. Ich verstand kein Wort. Dr. Lorent stand dabei und er zeigte auf meinen Ring und schrie den Doktor an. Sie schienen zu streiten und etwas später erzählte mir der Doktor, dass der SS-Offizier ihm befohlen hätte, die Ringe von meinen Fingern zu schneiden und dass er ihm erzählt hatte, dass er Arzt sei und nicht Metzger. Das erforderte großen Mut, weil die SS-Offiziere zu einer Elitetruppe gehörten, die Hitler ergeben waren und die Macht hatten zu tun was ihnen gefiel. Sie wurden von beiden sehr gefürchtet, vom deutschen Militär und den Zivilisten.

Ich kann mich nicht sicher erinnern, aber ich glaube nicht, dass ich irgendwie medizinisch behandelt wurde in der Nacht. Die Ereignisse in dem Operationssaal sind alles an was ich mich erinnere und entweder bin ich umgekippt oder bewusstlos geworden.

Saunders:

Er brachte mich in diesen kleinen Raum, sie ließen mich niemanden sehen. Sie kamen jeden Morgen rein.

 

So endete der längste Tag für Daniels Besatzung.

 

Doch lassen wir nun einen Augenzeuge zu Worte kommen. Wir kennen ihn schon. Theodor Wickord, geb. 2.1.1931, wohnhaft Westhusen 11. Er wohnt noch heute unmittelbar an der Absturzstelle des B-17-G Bombers vom 26.11.1944. Telefonisch habe ich um einen Interviewtermin gebeten und am 18.7.2005 konnte ich ihn und seine Gattin aufsuchen. Wickord kann sich noch bestens an die damaligen Ereignisse erinnern. Er schildert die Ereignisse des 26.11.1944 so gut, dass man meint, sie wären erst gestern geschehen.

 
Hier seine Schilderung:

 „Der 26.11.1944 war ein Sonntag. An den Vortagen hatte es kräftig geregnet. Der Sonntag war aber ein klarer Tag, mit strahlend blauem Himmel. Zu unserer Familie gehörten damals ca. 20 Personen. Verwandtschaft aus Aachen hatte bei uns auch Unterkunft gefunden. Gegen Mittag zogen dann die Bomberverbände in großer Höhe über uns hinweg. Das war zu dieser Zeit keine Seltenheit. Diesmal kamen sie aus Richtung Hamm, wo sie wohl schon ihre Bomben abgeworfen hatten. Von Bombenangriffen auf Hamm konnte wir ja auch häufig die Folgen sehen. Rauchwolken über Hamm. Auch den Brand der Pauluskirche konnten wir gut sehen. Damals standen noch nicht zu hohe Bäume in den Lippewiesen. Als wir am 26.11.1944 die Bomber sahen, kamen auf einmal unsere Jäger und kurvten in den Bomberverband. Es wurden auch Bomber getroffen und einer stürzte in unserer Richtung ab. Das heißt, der Bomber  wurde getroffen und zerbrach noch in der Luft. Er wurde also von Jagdflugzeugen abgeschossen und nicht von der Flak. Die Flak schoß übrigens nicht, wenn unsere Jäger im Einsatz waren, man wollte ja nicht die eigenen Jäger vom Himmel holen. Der Hauptteil des Flugzeugwracks kam direkt vor unserem Haus, höchstens 20 m entfernt, zu Boden. Zuvor hatte er noch drei Kopfweiden abrasiert. Die Stelle kann ich ihnen gleich noch zeigen. Die Motoren hatte sich losgerissen und kamen im Abstand von jeweils ca. 100 m zu Boden und gruben sich tief ein. Eine der Kanzeln des Bombers, möglicherweise eine Schützenkanzel, war etwa 150 m von unserem Haus entfernt an den Rand des Lohbusch gestürzt. Dort saßen noch drei tote Flieger drin, die zum Teil stark verbrannt waren. Ich sehe heute noch einen Toten, dessen Arm noch unverletzt war. Seine Fliegeruhr fehlte. Hatte man diese dem Toten schon abgenommen ?, natürlich weiß ich das nicht genau. Wir sahen nach dem Absturz jedenfalls Fallschirme in Richtung Dolberg treiben. In unserer Nähe ist jedenfalls keiner runtergekommen. Später, nach dem Kriege hat mir noch der Bürgermeister von Dolberg erzählt, das drei von den Fliegern bei und hinter Dolberg heruntergekommen waren und einer sei bis kurz vor Beckum getrieben worden.

     Am Abend des 26.11.1944 trat dann die Lippe, infolge der starken Regenfälle der Vortage, über die Ufer. Die Absturzstelle an unserem Haus stand dann etwa 1 m unter Wasser. Gut sei Dank liegt unser Haus ja ein Stück höher. Natürlich war auch Polizei und Soldaten an der Absturzstelle. Die Polizisten kamen von der Wache in Heessen. Wo die Soldaten stationiert waren kann ich nicht sagen. Jedenfalls sollten die Soldaten die Maschine bewachen. Als man aber sah, dass die Maschine nicht zu bergen war wurden sie abgezogen. 8 Tage dauerte das Hochwasser, dann war es abgezogen und abends brannte die abgestürzte Maschine plötzlich. Keiner von uns wusste warum. Die Polizei, in Person der Beamten Hedlick und Dickert, kamen auf unseren Hof. Mein Vater wurde prompt verhaftet und mit zur Wache Heessen genommen. Zwei Tage hat man ihn dort festgehalten, dann wurde er aber entlassen. Man konnte ihm den Brand nicht anlasten.

     Wenn sie mich nun fragen, wohin man nach meiner Ansicht verletzte Besatzungsmitglieder gebracht hat, die bei oder hinter Dolberg gelandet waren, dann bin auch ich der Ansicht, dass man sie zum Krankenhaus nach Ahlen oder Beckum gebracht hätte. Aber das ist nur eine Vermutung von mir. Übrigens wurden die Flugzeugmotoren erst 1964 oder 1965 ausgegraben. Bis zu diesem Zeitpunkt lagen sie tief in der Erde vor unserem Haus.“

        So weit der Bericht des damals 12 jährigen Theodor Wickord, bei dem ich mich recht herzlich für seine freundliche und sachlich fundierte Auskunft bedanken möchte.  In der Anlage zeige ich Ihnen Bilder von Theodor Wickord und den Absturzstellen.

 

Vermerk des Verfassers: Nachforschungen im Polizeigefängnis in Hamm ergaben, dass die Betroffenen in dieser Nacht nicht in Hamm im Polizeigefängnis einsaßen. Das Gefängnis in der Bismarckstraße scheidet wohl ebenfalls aus, da dort nur Häftlinge zur Strafverbüßung und Untersuchungshaftgefangene einsaßen.  Auffallend ist auch, das James davon spricht, das Daniels im Gefängnis gelyncht werden sollte und dies Frauen verhindert hätten. Das Gefängnis sowohl in der Bismarckstraße, als auch das Polizeigefängnis war von außen aber nicht erreichbar und ein Lynchversuch war sicher nicht möglich. Anders war dies natürlich beim Transport oder in der Bahnhofswache.

Die Landeorte der Fallschirme sind nicht mehr zu ermitteln. Auffallend sind        aber auch  hier die Aussagen.

Lediglich Daniels kam wahrscheinlich in der Nähe der Absturzstelle zu Boden, wie er betonte. Ihm haben Kinder Teile des Flugzeuges gezeigt. Die anderen Besatzungsmitglieder kamen mindesten 15 Meilen entfernt zu Boden. Damit dürfte ihr Landeort zwischen Dolberg und Beckum gelegen haben. Dies erklärt auch den Transport nach Ahlen ins Krankenhaus und später nach Eickelborn. Leider dürften die einzelnen Landungsorte nicht mehr zu ermitteln sein.

John Meurs, ein in der Schweiz lebender Amerikaner, forschte über die 8. Luftflotte und ihre Geschichte, speziell im November 1944. Bei seinen Nachforschungen stellte sich bald schon heraus, das nicht nur die 338. Bombergruppe, zu der auch der B-17G-Bomber aus der bisherigen Niederschrift gehörte, an dem Angriff vom 26.11.1944 beteiligt war, sondern auch die 390. Bombergruppe, die in Framlingham in Suffolk stationiert war. Diese Bombergruppe traf das gleiche Schicksal. Auch von ihr wurden einige Maschinen abgeschossen. Eine dieser Maschinen schaffte es noch bis zum Teutoburger Wald zu gelangen, obwohl sie bereits kurz nach dem Angriff von der Flak getroffen worden war. Zwischen Dissen und Bad Rothenfelde stürzte sie dann jedoch endgültig ab. Hier überlebten die  Besatzungsmitglieder und sprangen mit den Fallschirmen ab. Ihre Geschichte wurde in der Osnabrücker Zeitung vom 2.3.2002 vorgestellt. Für den Bereich Hamm und die Polizeihistorische Sammlung war von besonderem Interesse, dass erstmals durch  Zeugenaussagen bewiesen werden konnte, das eine Bombergruppe als alleiniges Ziel die Polizeidirektion Hamm hatte. Also gab es bei dem Angriff vom 26.11.1944 zwei Angriffsziele:  Für die Bombergruppe 338 war dies der Verschiebebahnhof und für die Bombergruppe 390, die Polizeidirektion Hamm.  Auch hier möchte ich den Originalartikel der Osnabrücker Zeitung einstellen:

 
Neue OZ vom 02.03.2002:

„Wer kennt Hintergründe des Flugzeugabsturzes in Erpen ?

  Dissen (ak)

November 1944: Der zweite Weltkrieg geht mit der Bombardierung deutscher Städte durch Flugzeuge der Alliierten in die entscheidende Phase. Die Gegenwehr der deutschen Luftabwehr ist seinerzeit noch groß. So gehen am 26.11.1944   35 Bomber der amerikanischen 8. Luftflotte über Nordwest-Europa verloren, einer von ihnen stürzte auf die Bahnlinie des „Haller Wilhelm“.

     John Meurs, ein in der Schweiz lebender Amerikaner, forscht gegenwärtig nach diesen abgeschossenen Flugzeugen und nach dem Schicksal der Besatzungen. Sein Ziel ist es, ein Buch oder eine Serie von Artikeln über die Aufgaben der 8. Luftflotte an diesem speziellen Tag zu schreiben. Er wandte sich deshalb an die Gemeinde Bad Rothenfelde und bat um Hilfe bei den Nachforschungen.

 

 Einer der Bomber, so hat Meurs ermittelt, ein B-24-Liberator, der zur 390. Bombergruppe gehörte, die in Framlingham in Suffolk stationiert war, stürzte auf die Bahnlinie des „Haller Wilhelm“ in Erpen zwischen Dissen und Bad Rothenfelde. Ziel der Gruppe war das Polizeigebäude in Hamm in Westfalen gewesen. Unmittelbar nach dem Bombenabwurf wurde jedoch das Flugzeug von der deutschen Flak getroffen, so dass sich ein Feuer im Bereich des Bombenschachtes ausbreitete. Daraufhin sprang die gesamte Besatzung mit Fallschirmen ab und wurde gefangen genommen.

 

    Aus Erzählungen des Besatzungsmitgliedes Dan Finlayson wusste dessen Sohn Richard einiges über den Absturz zwischen Dissen und Bad Rothenfelde. Er teilte John Meurs kürzlich mit: „ Jeder verließ die Maschine so schnell wie möglich. Der Funker war jedoch bewusstlos. Mein Vater kroch hinauf in den Funkstand, holte ihn hinunter in die Flugzeugspitze, schob ihn zum Notausstieg und sorgte für das Öffnen des Fallschirms. Für die Rettung seines Kameraden erhielt mein Vater später eine Auszeichnung, berichtete Finlayson. „ Mein Vater sprang dann selbst ab, schlug aber dabei durch die Luftverwirbelung des Flugzeuges mit dem Kopf gegen die Heckfunkantenne und erlitt eine ernsthafte Gesichtsverletzung. Er glaubte, als Letzter aus der Maschine abgesprungen zu sein, denn kurz darauf sei das Flugzeug explodiert.“ 

     Soweit der Artikel aus der Osnabrücker Zeitung. Auf Grund dieses Artikels meldeten sich einige Zeugen und am 16.3.2002 erscheint in der Neue OZ der nachfolgende Artikel:

    

Wertvolle Details über den Flugzeugabsturz in Dissen

 Dissen (ak)                                             16.03.2002

Wer kennt Hintergründe über den Absturz eines amerikanischen Bombers auf die Bahnlinie des Haller Wilhelm in Dissen am 26.November 1944? Diese Frage stellte kürzlich der in der Schweiz lebende Amerikaner John Meurs, der sich bei der Suche nach Augenzeugen an die Gemeinde Bad Rothenfelde gewandt hatte. Meurs möchte die Ereignisse in einem Buch verarbeiten. Sein Aufruf blieb nicht ungehört.

    Eine erste Reaktion kam von dem Flugzeugexperten Martin Frauenheim aus Hagen. Er bestätigte zunächst den Absturz nach seinen Unterlagen und auch die Rettung der Besatzung. Er schrieb jedoch: „ Allerdings handelte es sich  bei der Maschine nicht um eine  B 24 Liberator, sondern um eine Boeing B-17G Fortress, die von dem Piloten Gilbert A. Meyer gesteuert wurde“. Auch der in dem Artikel genannte Bombenschütze Dan W. Finlayson gehörte zur Crew, so Frauenheim.“

 

Soweit der Artikel aus der Neuen Osnabrücker Zeitung.

 Nur ein Tag im November 1944. Diese Niederschrift soll nachdenklich machen. Darum auch noch folgende Informationen.  Die von den Firmen Boeing, Douglas und Lockheed produzierte Version B-17G, hat eine Auflage von 8680 Maschinen erreicht.

Bei den Tageseinsätzen auf Deutschland fielen mehr als 47 000 Besatzungsmitglieder der 8. US-Luftflotte.

Auch die bereits angesprochenen Lynchfälle hat es gegeben. Insgesamt sind mehr als 150 Fälle von Lynchjustiz gegen Bomberbesatzungen registriert worden, wobei sowohl einzelne, als auch ganze Gruppen von Fliegern in Deutschland ermordet wurden. Bei den Tätern handelte es sich um Zivilisten, Wehrmachtsangehörige, NS-Amtsträger, SS-Angehörige aber auch um Polizeibeamte und andere Ordnungskräfte.

Ausgelöst und unterstützt wurden diese Lynchfälle durch den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler.

Er gab am 10.8.1943 ein Befehl heraus, indem er klarstellte, dass es nicht Aufgabe der Polizei sein könne :“ sich in Auseinandersetzungen zwischen deutschen Volksgenossen und abgesprungenen englischen und amerikanischen Terrorfliegern einzumischen“.   

       Einzelne Forderungen unterer Parteifunktionäre, gefangene britische Piloten künftig auf der Stelle zu erschießen, waren schon seit dem Frühjahr laut geworden. So vertrat z.B. der mecklenburgische Gauleiter Hildebrandt die Auffassung, alle britischen Bomberpiloten nach japanischem Vorbild summarisch hinzurichten. Himmler aber sollte es vorbehalten bleiben, als erster von Amts wegen die Lynchjustiz in Kauf zu nehmen bzw. sie zu billigen. Als die alliierten Luftstreitkräfte zur Vorbereitung der ursprünglich im Mai 1944 geplanten Invasion ihre Tagesangriffe auf Flugplätze und Verkehrsziele in Frankreich, Belgien und auch im Reich erheblich verstärkten und dabei zunehmend zu Tieffliegerangriffen auf militärische und zivile Ziele auf Schienen und Straßen übergehen, gibt es vermehrt nur schwach kaschierte Verlautbarungen und Weisungen unterer und auch höherer Partei- und Regierungsstellen, hinter denen sich eine unterschwellig betriebene Politik hin zu einer planmäßigen Lynchjustiz an abgeschossenen Feindfliegern vermuten lässt. Ihren Höhepunkt findet diese verhängnisvolle Entwicklung in dem berüchtigten Leitartikel von Goebbels „...zum feindlichen Luftterror“, der am 28. und 29.5.1944 in der Berliner bzw. Münchener Ausgabe des „Völkischen

Beobachters“ erscheint. Goebbels versucht in seinem Artikel, der mit Hitler abgestimmt war und auch von anderen deutschen Tageszeitungen übernommen wurde, den Eindruck zu erwecken, dass sich die Reichsregierung nunmehr außerstande sehe, die deutsche Bevölkerung von einem gewaltsamen Vorgehen gegen alliierte Piloten abzuhalten. Zwei Tage später gibt’s Hitlers Kanzlei durch ihren Chef, Reichsleiter Borrmann, in einem Geheimen Rundschreiben an alle NS-Gau- und Kreisleiter bekannt, dass bei Lynchjustiz an alliierten Fliegern von „polizeilicher und strafrechtlicher Verfolgung der dabei beteiligten Personen“  abzusehen sei. Danach mochte auch das Oberkommando der Wehrmacht in der Person ihres Chefs, Generalfeldmarschall Keitel, nicht nachstehen. Am 9.7.1944 formuliert er einen geheimen Befehl, in dem deutschen Soldaten untersagt wurde, sich gegen die Zivilbevölkerung zu stellen, wenn diese in berechtigter Empörung über anglo-amerikanische Terrorflieger zur Selbsthilfe greift.

   Die letzten bekannt gewordenen Befehle in dieser Richtung stammen von dem Kommandierenden General des Luftgaues VI in Münster, August Schmidt, der den vorgenannten Befehl Keitels am 11.12.1944 weisungsgemäß weitergab, sowie von Albert Hoffmann, dem Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar des Gaues Westfalen-Süd. Nach seinem Schreiben vom 26.2.1945 an alle Landräte, Oberbürgermeister, Polizeiverwalter, NS-Kreisleiter und an den Kreisstabsführer des Deutschen Volkssturmes sind abgeschossene Jabopiloten“ grundsätzlich der Volksempörung nicht zu entziehen. Ich erwarte von allen Dienststellen der Partei“, schreibt Hoffmann weiter, „ dass sie sich nicht als Beschützer dieser Gangstertypen zur Verfügung stellen. Behördliche Dienststelle, die dem gesunden Volksempfinden zuwiderhandeln, werden von mir zur Rechenschaft gezogen.“

Wie viele Besatzungsmitglieder abgeschossener Flugzeuge in Deutschland ermordet wurden, steht nicht genau fest.

Artikel 2 der Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen vom 27.7.1929. (ratifiziert von Deutschland 1934)

    „Die Kriegsgefangenen unterstehen der Gewalt der feindlichen Macht, aber nicht der Gewalt der Personen oder Truppenteile, die sie gefangen genommen haben. Sie müssen jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden und insbesondere gegen Gewalttätigkeiten, Beleidigungen öffentliche Neugier geschützt werden. Vergeltungsmaßnahmen an ihnen auszuüben, ist verboten.“