1945 -3-
Home Nach oben Polizeisport Kontakt Wachen 1921-2007 Polizei Aktuell Bürgernahe Polizei Heessen Bilder Sammlung Die Polizeiführung Polizeiärztlicher Dienst Hamm 1944 Hamm 1945 Die Hochbunker Gedenktafel Reichskristallnacht Polizei und Musik Polizeigruppenposten Puppenbühne Wissenswertes Bergamt Hamm Weststr. 9 Hammer oder Hammenser Das erste Auto in Hamm zu meiner Person Gästebuch

 

Bildseite 3
Bildseite 4
Bildseite 5
Bildseite 6
Bildseite 7
1945 -4-

Polizeiobermeister Willy Schuster. Er war der Mann, der Polizeigeschichte in Hamm als Erster niedergeschrieben hat. Willy Schuster traf ich zu der Zeit, als mein Interesse für die Hammer Polizeigeschichte gerade eingesetzt hatte. Unzählige Geschichten und „Dönekes“ habe ich von ihm erfahren und auch niedergeschrieben. Er selbst schrieb 1949 die folgende Erinnerung an die letzten Kriegstage in Hamm auf:

 

                                       Der Kampf um Hamm.

„ Seit Herbst 1944, da die Luftangriffe in verstärktem Maße wieder auf die Stadt Hamm einsetzten, lebte die Einwohnerschaft fast ausschließlich nur noch in den Luftschutzräumen. Vor allen Dingen waren die 10 Hochbunker stets überbelegt, da sie allein gegen die immer schwerer werdenden Angriffe, mit denen die Stadt schließlich bis zu dreien in jeder Woche bedacht wurde, wirksamen Schutz boten. Hier zollt dem Stadtbaumeister Fraatz ein besonderes Lob, denn die Bunker waren so gebaut, dass sie auch den stärksten Bomben standhielten, während in anderen Städten auch diese Bunker dem Bombenhagel nicht immer gewachsen waren.

    Die Lebensmittelversorgung konnte während der ganzen Zeit erstaunlicherweise in ausreichendem Maße aufrecht erhalten werden. Lediglich in der Strom- und Gaszufuhr trat öfters eine Unterbrechung ein. Die Wasserbelieferung (Trinkwasser) dagegen blieb durchweg gestört, so dass die Bevölkerung auf alte Brunnen, Feuerlöschteiche, Tümpel und gelegentliche höchst unzureichende Zufuhren in städtischen Sprengwagen angewiesen waren.

  Gegen Mitte März 1945 ließen die Luftangriffe an Stärke und Zahl auffallend nach, um endlich ganz aufzuhören. Statt dessen nahmen die Tieffliegerangriffe – vor allem auf die Eisenbahn- zu. Als dann der Kanonendonner immer näher rückte und in der letzten Woche vor Ostern auch in den Zufahrtstraßen von Hamm Panzersperren errichtet wurden, wusste oder ahnte wohl jeder, dass die feindlichen Truppen in nächster Nähe waren. Tatsächlich befanden sich am 29. März 1945 (Gründonnerstag) die Amerikaner bereits im benachbarten  Bockum-Hövel und es ging das Gerücht um, die Stadt Hamm solle zum Hauptstützpunkt erklärt und von der Bevölkerung geräumt werden.

Am 30. März 1945 (Karfreitag)  lag die Nordenvorstadt, insbesondere der  Vorbahnhof Heessen, bereits unter Artilleriebeschuß und einige Granaten schlugen auch schon in der Nähe des Bahnhof von Hamm ein.

Am 31. März 1945 ( Ostersamstag) wurde ein am Lohweg haltender Eilgüterzug, der in der Hauptsache mit Lebensmitteln beladen war, von der Bevölkerung und von ausländischen Arbeitern geplündert. Gegen 19,00 Uhr setzte eine starke Beschießung mittels Artillerie- und Granatwerferfeuer auf die gesamte Stadt ein, während es tagsüber verhältnismäßig ruhig war, so dass noch viele Bewohner ungehindert die Stadt verlassen konnten. In der Nacht zum 1. April 1945 (Ostersonntag) stießen die amerikanischen Panzerspitzen in die Nordenstadt vor. Gegen 01,45 Uhr gab der Revierleiter, Polizeimeister Voß, 3. Polizeirevier, folgende fernmündliche Meldung an das Kommando der Schutzpolizei – Polizeimeister Schuster -  durch:

„Amerikanische Truppen besetzen im Augenblick Hamm – Norden. Ecke Münsterstraße – Heessener Straße stehen einige amerikanische Panzer. Da keine deutschen Soldaten hier zu sehen sind, werde ich befehlsgemäß mit noch einem Polizeibeamten auf dem 3, Polizeirevier verbleiben. Die übrigen Beamten werden sich zur Polizeidirektion zurückziehen.“

Es konnten sich jedoch nur einige Beamten zur Stadt durchschlagen. Die übrigen Beamten gerieten in amerikanische Kriegsgefangenschaft.  Kurz nach 02,00 Uhr wurden die Straßenbrücken über die Lippe im Zuge der Münsterstraße – Nordstraße und Fährstraße deutscherseits gesprengt. Im Laufe der Nacht fühlte der Feind von der Nordenvorstadt aus auf dem Bahnkörper – die Eisenbahnbrücken über Kanal und Lippe waren nicht gesprengt worden – nach Süden zum Bahnhof behutsam vor. Zur gleichen Zeit etwa wurde im Bunker am Schillerplatz ein angeblicher Befehl der NSDAP verlesen, wonach alle Frauen und Kinder sofort die Stadt zu verlassen hätten. Jetzt entstand unter den Bunkerbesuchern ein unbeschreiblicher Tumult. Die Mehrzahl weigerte sich, und diejenigen, die dem Befehl nachzukommen suchten, musste ihr Vorhaben bald wieder aufgeben, da der südliche Stadtteil nunmehr auch unter feindlichem Artillerie- und Grantwerferfeuer lag. Inzwischen hatten die Amerikaner nach Gefechten das Bahnhofsgebäude erreicht und sich dort, sowie auf dem etwa 150 m südlich davon am Schwarzen Weg liegenden Eisenbahn-Wasserturm, festgesetzt. Von hieraus leitete der Feind den weiteren Kampf. Am Nachmittag lag feindliches Artillerie- und Granatfeuer vor allem auf der Straßenkreuzung Ostenallee – Fährstraße (Bad Hamm), während deutsche Batterien aus Richtung Westtünnen den Bahnhof bestrichen.

Am 2. April 1945 (Ostermontag) entlang dem Lippe-Seitenkanal drang der Feind auf der Hafenstraße sowohl in den westlichen Stadtteil, als auch nach Osten hin zur Stadtmitte vor. Kampfhandlungen mit wechselndem Glück entwickelten sich darauf am frühen Nachmittag im Stadtinnern (Altstadt). Tiefflieger warfen Flugblätter ab, in denen vor allem die Frauen aufgefordert wurden, sich für Aufgabe des zwecklosen Kampfes einzusetzen.

Die übrigen Stadtteile lagen weiter unter feindlichem Artillerie und Granatfeuer, so dass in der Nacht noch ein Deckungsgraben von der Polizeidirektion  in der Hohen Straße (Sitz der Polizeidirektion, Luftschutzleitung, Schutzpolizei, Luftschutzpolizei usw.) zum Bunker an der Ecke Sedanstr.- Feidikstraße  (Kampfstand des, die deutschen Truppen in der Stadt Hamm befehlenden Major Schmidt.) ausgehoben wurde. Hierzu wurden alle verfügbaren Angehörigen der Polizeidirektion Hamm herangezogen.  Diese  Ausschachtungs-arbeiten  mussten  wegen  des allzustarken Granatwerferfeuers von Zeit zu Zeit unterbrochen werden.

Am 3. April 1945 (Dienstag) drang der Feind von Heessen kommend nunmehr auch auf der Fährstraße nach Süden vor. Es gab Spähtruppzusammenstöße in allen Stadtteilen, insbesondere aber an der Eisenbahn am Schwarzen Weg. Die Zentrale der Stadtverwaltung befand sich in der Wohnung des Oberbürgermeisters, hier, Ostenallee 84. Ein nunmehr von der Gauleitung der NSDAP befohlener Aufruf zur Evakuierung der Stadt führte zu Unruhe und Ablehnung, da er infolge des lebhaften Beschusses praktisch nicht mehr durchführbar war.

Am 4. April 1945 (Mittwoch) nahm das Feuer auf die Stadt gewaltig zu. Die deutsche Wehrmacht hatte den Befehl erhalten, sich in der Nacht vom Feinde abzusetzen und die Stadt zu räumen. Das geschah auch ab 21,00 Uhr unter starkem feindlichen Beschuß. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Hammer Polizei südöstlich von Hamm an der Ahse eingesetzt werden. Später wurde jedoch vom Kampfkommandanten entschieden, dass die jüngeren Jahrgänge der Schutzpolizei, der Polizeireserve und Luftschutzpolizei nach Kump zusammengezogen wurden. Durch Tiefflieger wurden hier die Fahrzeuge der Polizei zusammengeschossen. Die Polizeidirektion in der Hohe Straße  wurde von den restlichen Beamten besetzt und der Dienstbetrieb – so gut es ging – aufrechterhalten.

Am 5. April 1945 (Donnerstag). Gegen 05,00 Uhr, nachdem die letzten deutschen Truppen abgezogen, verließ auch der Oberbürgermeister vom Städt. Krankenhaus aus die Stadt. Seine Vertretung übernahm Stadtbaurat Haarmann. Im südlichen Stadtteil hatten sich kleinere Trupps von SS-Soldaten eingefunden, die sich erneut zur Verteidigung einrichteten. Währenddessen lag auch weiterhin feindliches und deutsches Artilleriefeuer auf der gesamten Stadt, so dass noch gegen Mittag vor dem Bunker Schillerplatz 10 Personen zu Tode kamen. Inzwischen hatten sich an der südlichen Stadtgrenze vereinzelte Gefechte entwickelt. Auch hier griff der Feind trotz seiner großen Übermacht nur sehr zaghaft und vorsichtig an. Der letzte Infanteriekampf in Hamm wurde südlich der Alleestraße (zwischen Grünstraße und Gallberger Weg)  ausgetragen. Hierbei fielen etwa 15 deutsche und  einige amerikanische Soldaten. Der Rest der deutschen Soldaten geriet in Kriegsgefangenschaft.

Am 6. April 1945 (Freitag), gegen 09,00 Uhr erschien erstmaligein amerikanischer Offizier mit etwa 20 Soldaten vor der Polizeidirektion, der mit Polizeidirektor Dr. Rotmann über Waffenabgabe und Einsatz der deutschen Polizei verhandelte. Gegen 17,00 Uhr wurden Polizeidirektor Dr. Rotmann und Polizeirat Leise von den Amerikanern gefangen genommen. Mit der Führung der Hammer Polizei wurde Revierhauptmann Seifert zunächst beauftragt. Sämtliche Polizeibeamten Zivilkleidung anziehen und ohne Waffen ihren Polizeidienst weiter versehen. Die Bewachung und Sicherung der lebenswichtigen Betriebe (Behörden und Lebensmittellager pp.) stand dabei im Vordergrund. Unzählige plündernde Personen konnten festgestellt und später zur Anzeige gebracht werden.

Am 7. April 1945 (Sonnabend). Gegen 09,00 Uhr erschien in der Polizeidirektion der amerikanische Major Reilly, der dem Stadtbaurat Haarmann den Befehl gab, die verantwortliche Leitung der Stadtverwaltung und der Polizei ( als Bürgermeister) zu übernehmen. In laufender Zusammenarbeit mit Major Reilly als vorläufiger Kommandant (bis zum Eintreffen der englischen Kreiskommandantur nach einigen Tagen) musste die Verwaltung und das wirtschaftliche Leben wieder in Gang gebracht werden. Die verantwortliche Leitung der Polizei (einschließlich Kriminalpolizei) übernahm am 8.4.1945 der aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft (1Tag, der Verfasser)   zurückgekehrte Kommandeur der Schutzpolizei, Major Levsen. Ihm allein ist es zu verdanken gewesen, dass die Hammer Polizei vor größeren und unnötigen Verlusten verschont geblieben ist. Mit seiner sicheren und korrekten Führung hat er die Polizei in Hamm durch alle Wirrnisse und Schwierigkeiten hindurchgebracht und die Bevölkerung vor größeren Plünderungen, die damals in der Hauptsache von Fremdarbeitern und verbrecherischen Elementen vorgenommen wurden, geschützt.

Mit dem Eintreffen der englischen Kreiskommandantur wurde die Hammer Polizei von dem Public Safety Officer A.M. Mitchell S/Ldr. beaufsichtigt und überwacht.

Als Polizeidirektor wurde am 1.Juli 1945 auf Anordnung der Militärregierung und des Regierungspräsidenten in Arnsberg, Herr Peter Röttgen  eingesetzt.“

 
Soweit die Niederschrift des Kollegen Willy Schuster. In der Anlage habe ich einige Fotos eingesetzt, auf denen man die Bombenschäden jener Zeit sehen kann. Weitere Augenzeugenberichte werde ich abdrucken.